Plötzlich war es still
Ich sitze im Bus, Kopfhörer drinnen, Musik auf voller Lautstärke. Der Tag war lang, zwei Tests, wenig Schlaf, zu viele Gedanken. Ich habe Kopfschmerzen, mein Kopf fühlt sich einfach so schwer an. Ich will nur noch nach Hause.
Der Bus ist voll. Alle schauen auf ihre Bildschirme. Niemand redet, niemand schaut sich um. Ich auch nicht. Ich scrolle auf Social Media rum, und sehe Bilder von Bekannten im Urlaub, am Trainieren oder Influencer, die ihren perfekt geplannten Alltag beschreiben. Alles sieht überlegt und entspannt aus. Nur bei mir nicht, ich bin irgendwo dazwischen.
Dann kommen wir bei der nächsten Bushaltestelle an. Eine ältere Dame mit kurzen grauen Haaren und einem Gehstock in der Hand, steigt in den Bus hinein. Sie lächelt, obwohl niemand zurück lächelt. Sie sucht einen freien Platz, doch findet keinen. Und niemand steht für sie auf. Niemand nimmt die Kopfhörer heraus und bietet seinen Platz an. Ich auch nicht.
Warum nicht? Vielleicht bin ich müde. Vielleicht habe ich Angst, den Moment zu verlieren, in dem ich mich gerade im Smartphone verliere. Vielleicht bin ich einfach zu sehr in meinem eigenen Tempo gefangen. Es fühlt sich trotzdem so an, als würde ich etwas Wichtiges verpassen. Nicht nur einen kleinen Moment im Alltag, sondern einen Augenblick der Menschlichkeit.
Ich schalte die Musik aus, und plötzlich ist es still. Diese Stille ist lauter als jede Melodie, die ich jemals gehört habe.
Seit diesem Tag denke ich öfter an die Situation mit der Frau im Bus. Nicht, weil sie etwas Besonderes war, sondern weil sie so unspektakulär war. Nur ein kleiner Augenblick. Doch manchmal sind es genau diese kleinen Augenblicke, die uns zum Nachdenken bringen.
Und ich frage mich, was verpasse ich, wenn ich immer nur renne? Wenn ich nie stillstehe und hinsehe? Vielleicht ist es nicht mein Ziel, schneller zu sein als alle anderen. Vielleicht geht es darum, im eigenen Tempo zu leben.
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