porzellanherz und honigtropfenvon Esma Ahmedi
ich schaue in deine braunen augen
und denke an die honigtropfen
die in meinem tee untergehen
du stehst im türrahmen
und schwenkst den tee in deiner teetasse
als könnten deine honigtropfen den teetassenboden schneller erreichen als meine
ein paar lichtstrahlen tröpfeln von draußen in deine augen
du stehst im halbdunkeln, dein weißes hemd auch im halbdunkeln
sollte dir die teetasse nicht langsam aus der hand fallen
sollte sie nicht schon längst am parkettboden liegen auf den teepfützen
die du verursacht hast
und in bruchteile zersprungen sein, so wie du schaust
so wie die lichtstrahlen dein gesicht treffen
mit porzellanstücken dazwischen und einer honigpfütze
du hast eine grenze gezogen
du ziehst oft zähflüssige grenzen, wenn die sonne nicht mehr scheint
wenn es egal ist, weil der himmel so klar und der honig als sonnenlichtersatz
und irgendwo leuchtet irgendetwas in den himmel hinein
aber niemals auf dein weißes hemd
du schaust in den tee als wäre er nicht mehr da
als stündest du seit ewigkeiten im türrahmen im halbdunkeln ohne teetasse
nichts, das dir aus der hand fallen könnte
dein blick wandert von den honigflecken auf deinem hemd in den himmel und sucht
ich weiß, du hast ein herz aus porzellan
und hälst meinen heißen tee fast nie aus
ich weiß, deine fingerkuppen sind wie zuckerwürfel
so süß und fragil
deswegen immer nur honig
immer langsam in den tee tropfen lassen
du sagst du wirst dein weißes hemd nicht mehr waschen
du willst deine hände nicht mehr in warmes wasser tauchen
man hat dir alle wäscheklammern weggenommen als kind
man hat dich nie mit wäscheklammern spielen lassen, du hast nie gelernt wie man wäsche aufhängt
deswegen klammerst du dich immer an das nächstbeste an
und bildest dir ein, verstanden zu haben wie wäscheklammern funktionieren
der tee in meinem mund hängt zwischen hals und zunge
ich kann ihn weder runterschlucken noch ausspucken
es wird immer kälter in mir drin
ich glaube, ich verstehe deine fingerkuppen
du willst keine wäscheklammern mehr ausprobieren
du willst das deiner zunge nicht mehr antun und deinem kopf auch nicht
und jeden abend stehst du im türrahmen wenn es halbdunkel ist
da sieht man nicht ob du schon im raum stehst oder noch auf der türschwelle
ob du überhaupt hinein willst
man sieht die flecken auf deinem hemd nicht
ob es weiß ist oder nicht
du stehst da und schwenkst deinen tee in der teetasse
hin und wieder denkst du an die wäscheklammern
hin und wieder verschüttest du deinen tee
aber nie liegen halbgelöste zuckerwürfel am boden
ob dir die flecken auf deinem weißen hemd nicht zu viel werden
will ich dich fragen
die honigtropfen und das bröckelnde porzellan
aber dann denkst du an deine kindheit und du schaust wieder in den tee und in deine gedanken
und dann werden es mehr pfützen auf meinem parkettboden
und das kann ich mir nicht leisten
so einen kaputten parkettboden voller porzellanstücke
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