Prinzen von Heute
…Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Das Ende.
Die Szene kennen wir doch alle noch von früher oder? Von den Filmen meine ich. Die wo der Prinz die Prinzessin am Ende des Films küsst. Alles scheint perfekt zu sein, die Prinzessin tanzt in ihrem wunderschönen weißen Kleid in den Armen ihres Bräutigams, irgendwo fliegen singende Vögel herum und alle Herausforderungen aus der Vergangenheit scheinen vergessen zu sein. Zum Schluss neigt sich das Bild in Richtung des Himmels, wo zwischen fluffigen Wölkchen, der bekannte rote Schriftzug erscheint –“Das Ende“.
Nun ja, was soll ich sagen, an böse Hexen und sprechende Tiere glaube ich zwar schon lange nicht mehr, aber gestern… gestern wurde mir auch der Glaube an heldenhafte Prinzen und weiße Kleider geraubt. Vor ein paar Stunden hatte ich noch Spaß und tanzte, (auf einer Party anstatt eines königlichen Balles) und nun sitze ich einem Arzt gegenüber und erzähle meine Geschichte. Naja, eigentlich ist es schon der achte Arzt und der achte Versuch eine Geschichte wiederzugeben, an die ich fast keinerlei Erinnerungen habe. Die einzigen Sätze die sich wirklich ständig wiederholen, lauten:
„Mein Name ist Marie, ich war letzte Nacht auf einer Party und jemand hat mir was in den Drink gemischt. Meine letzte Erinnerung von dem Abend ist, wie mir jemand mein Kleid auszieht. Ich konnte mich nicht bewegen oder währen.“
Wirklich viele weitere Sätze habe ich nicht gesprochen. Doch meine Gedanken überschlugen sich förmlich, während ich sämtliche Prozeduren, Behandlungen und Untersuchungen über mich ergehen ließ.
Wie konnte das passieren? “Wir müssen Sie ausziehen und auf Verletzungen absuchen.“ Warum würde jemand so etwas tun? “Wir werden ihr Gewand versiegeln und zur Polizei schicken.“ Die Welt schien früher nicht so grausam. “Wir nehmen jetzt Abstriche von ihrem Körper.“ In Märchen ist sowas nie passiert. Warum hat mir niemand geholfen, keiner etwas gesagt?
In genau diesem Moment ist mir klar geworden, dass ich endgültig in der realen Welt angekommen bin und dass es nicht die kleinste Ähnlichkeit zu jenen Welten gibt, von denen kleinen Mädchen erzählt wird. Die wahren Bösewichte sind keine alten Hexen mit Warzen auf der Nase oder große, feuerspuckende Drachen. Es sind die Prinzen! Sie sind diejenigen mit den giftigen Zaubertränken. Anstatt für ihre Prinzessinnen zu kämpfen, wird gegen sie gekämpft. Anstatt sie zu ehren und in weißen Kleidern zu heiraten, werden sie ausgenutzt und ausgezogen.
Es ist also höchste Zeit, dass die Geschichten von uns Frauen neu geschrieben werden. Wir warten nicht mehr darauf, dass der Prinz auf seinem weißen Pferd angeritten kommt, uns rettet und dann als Belohnung auch noch heiraten will. Von heute an, schreiben wir unsere Geschichten selbst, denn nur wir bestimmen was darin passiert und wann sie endet. Bevor wir nicht einhundertprozentig zufrieden sind, gibt es auch kein Ende.
Und wenn sie noch nicht glücklich ist, dann schreibt sie noch heute. NICHT mein Ende!
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