Punktesystem
Ein Punkt wird angesetzt.
Wird der Punkt größer? Manchmal. Wenn dem so ist, weitet sich der Punkt bis ins Unermessliche aus. Den Punkt dann noch zu begreifen, davon würde einem jeder abraten. Ist das zu fassen? So ein großer Punkt. Es gibt so viel Unvorstellbares in der Welt. In der Welt der Punkte gibt es das auch. Der Punkt kann auch ganz klein werden. So klein, dass der hellere Teil in der Mitte eines eigentlich dunklen Punktes gar nicht mehr sichtbar ist. Schade. Zweifärbige Punkte sind außergewöhnlicher als einfärbige. Spannend solche Punkte. Wenn der Punkt weder groß noch klein ist, so ist er normal. Der normale Punkt ist der angenehmste. Das gilt nicht für alle, aber für viele. Viele mögen normale Punkte. Dagegen ist nichts einzuwenden, trotzdem mögen manche die großen oder kleinen lieber. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist normal.
Ein Punkt wird also angesetzt. Anschließend kommt ein zweiter Punkt hinzu. Dem ersten ähnlich, dennoch ein anderer. Diesem wiederum folgt ein dritter. So geht es immer weiter. Viele Punkte. Viele gleich unterschiedliche Punkte. Viele unterschiedlich gleiche Punkte. So funktioniert eben das Punktesystem.
Betroffen
Punkte haben etwas Berauschendes an sich. Vor allem, wenn sie sich gerade in ihrer Wachstumsphase befinden. Wie in einem Rausch dehnt sich die Masse aus, wird immer weiter. Zu lange würde einem keiner raten, diesen Prozess zu verfolgen. Die Gefahr besteht, es dem Punkt nachmachen zu wollen. Betroffene versuchten sich auszubreiten, in die Weite zu wachsen, was ihnen natürlich nicht gelang, schließlich waren sie keine Punkte. Sehr arm. Am schlimmsten war es immer, wenn der Punkt irgendwann aufgehört hat sich ins Unermessliche zu erstrecken. Wahrscheinlich ging es den Betroffenen, wie wenn ihnen auf einmal der Sinn zu leben genommen würde. Sie wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Die meisten waren so erschöpft, dass sie eingingen. Andere sind völlig ausgerastet, sie wurden geradezu wahnsinnig. Wieder andere haben gar nichts mehr verstanden. Das waren die ärmsten. So hilflos. Noch schlimmer stand es jedoch um diejenigen, die den Wachstumsprozess eines Punktes verfolgten, der zwar langsam, dafür jedoch kontinuierlich wuchs. Immer weiter und weiter und noch weiter. Manche Punkte beschließen, sich nämlich für immer auszubreiten. An und für sich nichts Schlechtes in der Welt der Punkte, doch für Nachahmende eine Qual. Das durchgehende Verlangen, sich stetig vergrößern zu wollen. Schlimm. Dagegen lässt sich leider nichts machen. Ganz im Gegensatz zu Punkten im Schrumpfmodus. Sie zeigen eine viel geringere Wirkung auf andere, sie nachmachen zu wollen. Zum Glück, denn diesem Verlangen zu unterliegen ist viel schmerzvoller als umgekehrt. Man stelle sich nur vor, für immer schrumpfen zu wollen. Ein furchtbarer Gedanke. Wie gesagt, dieser Fall kommt glücklicherweise nicht besonders häufig vor. Die Enge war schon immer viel verhasster als die Weite, nicht nur in der Welt der Punkte.
Ein Punkt wird also angesetzt.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
