Puppen in weißen Kitteln
Einen Fuß vor den anderen setzen. Immer weitergehen, nicht stehenbleiben. Du weißt, wie das geht! Komm, es ist nicht schwer.
Meine Beine zitterten. Meine Hände waren kalkweiß und ich krallte sie in das schweißnasse Holz, das schon so viele Leute vor mir angegriffen hatten. Es war glatt. So glatt, dass die Hände kaum Halt fanden. Ich wusste, dass ich eine Pause machen sollte. „Du machst es in deinem Tempo, Joe. Stress dich nicht!“. Das sagten sie immer. Die in den weißen Kitteln. Die, die kamen und gingen, wie es ihnen passte.
Der Schweiß rann mir in die Augen, dass es brannte. Ich blinzelte, um wieder etwas von dem abgedunkelten Raum sehen zu können, doch es half nichts. Das schäbige Bett verschwamm. Der Raum begann sich im Kreis zu drehen, so schnell, dass mir schlecht wurde. Meine aufgeschürften Hände streiften das Holz, versuchten verzweifelt, sich festzuhalten. Ich stieß mit dem Kopf gegen die Metallstange und landete verdreht auf meinen Beinen.
Der Schmerz trieb mir Tränen in die Augen. Meine Beine pochten und stachen, so dass ich das Gefühl bekam, es wäre wieder der Tag, an dem alles begonnen hatte.
Ich lag am harten Linoleumboden zwischen den Metallstangen, meine Augen geschlossen. Schmerz durchschoss meinen Körper, nahm allen Platz ein, bis er alles war, das ich fühlen konnte. Ein ganzes Orchester aus Geräten begann zu piepsen, jedes in einer anderen Frequenz. Sie stürmten herein, setzten sich vor mich auf den Boden und redeten mit mir. Mein Kopf blendete ihre Stimmen aus, konzentrierte sich auf die züngelnden Flammen in den Beinen, damit ich sie nicht diskutieren hörte. Die Wunde tat so weh, dass es mir die Luft abschnürte, und ich grub meine Fingernägel in die Oberschenkel, um eine Ablenkung von dem betäubenden Schmerz zu haben. Sie seufzten. Wie immer.
Mit ihrem ausdrucklosen Blick kamen sie mir vor wie Marionetten, die von ihren Puppenspielern bespielt wurden. Sie setzten ein falsches Lächeln auf und taten so, als wollten sie mir helfen, doch das Einzige, was sie machten, war irgendetwas zu reden, was mich bei ihnen, im Krankenhaus hielt. „Du machst es in deinem Tempo. Wenn dein Körper bereit ist, wird er es dir zeigen.“ Wie oft hatte ich diesen Satz schon gehört?
Ich wollte nicht mehr warten.
Die Puppen hoben mich in mein Bett zurück und schüttelten halb mitleidig, halb verärgert den Kopf. All das war nur gespielt, ich war mir sicher. Sie wollten überhaupt nicht hier sein. Sie wollten nicht in einem scheiß Gefängnis arbeiten.
Sie redeten mit mir, doch ich hörte sie nur undeutlich. Ihre Stimmen schienen immer weiter weg und obwohl ich die Maschinen hysterisch piepsen hörte, wurde ich auf einmal ruhig. Alles in mir entspannte sich. Der stechende Schmerz ließ nach, mein Herzschlag verlangsamte sich. „Du musst es in deinem eigenen Tempo machen.“ Ja. Das stimmte, jetzt begriff ich es. Doch vielleicht, vielleicht war genau das mein Tempo gewesen. Mein eigenes, zu schnelles Tempo.
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