Rasende Freude
Als Kind hatte Tom seine Spielfiguren in seine Rennautos gesetzt und sie über den Teppich sausen lassen, bis sie gegen seine Kommode fuhren. Er hatte sich vorgestellt, wie die Perspektive von seinen kleinen Holzfigürchen, die er Hanzi und Hanna genannt hatte, wäre. Er hatte seine Mutter angebettelt, dass sie ihm eine kleine Minikamera kaufte. Seine große Schwester hatte das Gesicht mitleidig verzogen, als er nach langem Scheitern bei ihrer Mutter bei ihr aufgekreuzt war. Tom wollte unbedingt wissen, wie es sich anfühlte, in einem rasenden Objekt zu sitzen, am besten noch, wenn er es steuern konnte. Er hatte nie die Freunde seiner Schwester gemocht, aber Karl war anders. Karl war Rennfahrer. Er nahm Tom manchmal zu seiner Rennstrecke mit. Tom durfte zwar nie in einem Auto sitzen, aber er durfte zuschauen. Und das gefiel ihm sehr gut. Wie die Autos sich in die Kurven legten und an ihnen vorbeirasten.
Tom hatte lange an seinem Traum festgehalten. Und er war gewachsen. Als er zwanzig war, sah er immer mehr aus wie seine Kindheitsfigur Heinzi. Er hatte zwar keine Holzhaut, aber seine Haare waren genauso zackig geschnitten wie Heinzis Strohbüschel am Kopf. Und seine Hände waren genauso rau. Die Hände, die jetzt das Steuer umfassten. Karl, nun sein Trainer, hatte ihm vorhin Daumen nach oben gezeigt. Dasselbe machte er nun auch, und Tom drückte sein Scharnier herunter. Die Sturmhaube kratzte und Toms Mund zuckte, sein Blick fest nach vorne gerichtet. Es roch nach Motoröl und Bier. Tom konnte sich nichts Schöneres vorstellen.
Eins, zwei, drei.
Sein Auto heulte auf und Tom schoss los. Seine dicken Handschuhfinger ruhten auf dem Steuer, aber mit einer gewissen Anspannung. Wind schlug ihm entgegen und Tom wagte es kaum, zu atmen. Wären seine Haare nicht unter den vielen Schichten gegen seinen Schädel gepresst, würden sie jetzt wild flattern. Tom riss das Steuer um.
In die erste Kurve
Er hatte mittlerweile drei Leute überholt. Sein Adrenalin pumpte und Wind röhrte in seinen Ohren. Seine Augen war geschützt, aber er spürte trotzdem, wie Naturkräfte sich gegen sein Scharnier drückten. Tom wollte jubeln, aber das war nie eine gute Idee. Seine Lippen waren trocken und er konnte fast schon den peitschenden Wind schmecken. Es schmeckte nach Salz, Aufregung und alte Socken.
In die zweite Kurve
Tom schnaufte, als er wieder einen Gegner überholte. Sein Körper schrie vor Freude als er sich hinter seinem letzten Gegenspieler befand, und seine Beine reagierten. Tom wurde schneller, das Brausen lauter, doch das Gefühl in seinem Bauch wurde immer größer – und schöner. Je mehr Fahrt er aufnahm, je stärker wurde es. Dafür war er geboren worden. Er hörte die Autos aufjaulen, auch sein einiges, aber das füllte ihn noch mehr mit Energie. Tom überholte noch den letzten Wagen. Er triumphierte.
Das Ziel.
Tom wollte nicht stehen bleiben, aber er musste, und das Adrenalin verließ ihn nicht gleich. Er liebte dieses Gefühl. Tom lebte für es. Tom lebte fürs Tempo.
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