requiem für all unsere tode
Wir hängen da über deinem Bett, genau neben einander. Die Nachtigallen singen für uns ganz alleine, wenn du doch nur kurz deine Augen schließt. Hörst du deinen Namen aus ihrem Schnabel gleiten? Hörst du meinen rasenden Herzschlag, der brennendes Blut in meinen kalten Körper pumpt, bis es immer mehr verblasst? Das Knacken der Äste draußen vor deinem Fenster, das Rascheln der glänzenden Blätter im Abendtod des Blutmondes.
"Für jede Bereicherung muss man sterben. Man muss stetig mit dem Tode spielen, um zu wissen, was Leben ist. ", hauchtest du, bevor du mich Hals über Kopf in diese Idee zogst.
Sei ganz leise, still, kein Mucks darf deiner Kehle entschwinden, kein Ton mich unsicher ertasten. Rede nicht darüber, lass uns schweigen, ich weiß es, auch wenn du es nicht sagst. Ächze nicht nach Luft, ich könnte hier noch ewig hängen, während dein Hals sich zuschnürt und dein Kopf nicht loslassen will. Ich liebe diesen Ausdruck von Angst in deinen Augen und dieses hektische Zappeln; und das an der Schnur ziehen ist einfach nur begehrenswert. Meine Lider, die Vorhänge meiner Seele, fallen unüberlegt immer wieder zu, mein Korpus will loslassen, doch ich häng doch schon Hals über Kopf in dieser Sache drin! Jetzt kann ich nicht zurück. Ich mustere dich, um mich abzulenken, kann mein Glück kaum fassen; will dich ertasten, deine samtig weichen Haare, fast wie Seidenfäden klettern sie über die abgerundete, kleine Schulter. Ein Lächeln auf deinen falben Lippen, dein Nasenpiercing reflektiert den fahlen Mond, du bist schöner als jedes Wort, das ich je niedergeschrieben habe. Bittersüße Hände, die einander flüchtig streichen, pathetisch voller Furcht zu weichen. Purpurrote Wangen, die nach Berührung lechzen, und Schmetterlinge, deren gut pigmentierte Flügel zaghaft und in einer orgastischen Grazie aus deiner Iris fliegen. Ich liebe dich und jeden einzelnen unserer Tode, jedes Lieben danach und jeden Krieg, den dein neuer Fund entfacht.
Du wirst immer blasser, bald würdest du leblos hängen, und genau in dem Moment, als mich die Panik wie einer Schleier ummanteln will und mein Herz droht zu zerbersten, bricht der morsche Balken zum zehnten Mal in sich zusammen, und wir landen aufeinander, ineinander versunken, ineinander verschwendet. So wie vorgestern, und die restlichen zwölf Monate zuvor. Wir atmen dieselbe Luft, leben denselben Moment. Lächeln im selben Moment, bis die erste Träne über deinen Wangenknochen gleitet. Ich strecke meine Hand aus, berühr dich endlich. Die Nachtigall lässt keinen Mucks ihrer Kehle entschwinden, kein Ast raschelt. Du bist der Strom für meinen Körper und ich kann nicht ohne dich. Nur du elektrisierst mich.
"Ich bin Hals über Kopf, besinnungslos und unsterblich glücklich in dich verliebt. ", flüstere ich liebevoll gegen die blauen Hämatone an deiner Kehle. Deine Augen wandern von meinem Hals über meinen Kopf und wenn ich mir die Veränderung in deiner Mimik ansehe, bereue ich nichts.
Für Liebe muss man eben sterben.
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