Rettungsversuch, Unsinn
Der Bass tropft auf meine Welt aus Druckerschwärze, sie zerfließt und ist verflossen. Die miserablen Höhen der Kopfhörer verklingen, dahinter ist die Leere. Meine Sinneswelt ist fortgespült, entrückt an einen meiner Wahrnehmung jenseitigen Ort. Geblieben ist ein Vakuum in der Glasglocke meines Hirns. Durch das Glas zieht sich ein Riss, geschlagen von dem Rhythmus, der an mir nichts intakt lässt. Ein Gedanke schlüpft hindurch. Meine Hoffnung auf Ruhe ist zerstört, doch er kann mehr als bloß zerstören, auch kleine Kunststückchen kann er, die zeigt er mir, er tanzt, er überschlägt sich, er tutet und bläst, ein veritabler Circusclown, den ich aber gar nicht lustig finde.
Blasmusik tut der Glasglocke nicht wohl, da sie sie zum Schwingen bringt. Mit einem süßen Klang implodiert sie unter der Wucht der nachziehenden Gedanken, sie haben meine Schwäche gewittert und wollen daraus Kapital schlagen. Es hagelt die Sendboten meines Innern (die dünne Wand, die sie von dem luftleeren Raum trennte, ist nicht mehr) sie kündigen von Ängsten, Hoffnungen, Lüsten, von Erinnerungen, die ich, eine exemplarische Leistung meines Selbsterhaltungstriebs, bewusst vergessen habe.
Jetzt kann ich mich ihrer allein nicht länger erwehren. Die Musik, ließ ich mir sagen, sei dem Denken gegenüber im Allgemeinen feindlich eingestellt. Ich klammere mich also an sie als letzte Möglichkeit, leise Reize am Rande meiner Wahrnehmung, die, da ich nach innen und in mein Inneres gestürzt bin (den kleinen Lebenswelten einer Brigitte K. , ihres Zeichens Geigenlehrerin, nicht unähnlich), nur mehr dumpf und auf das Allergeringste reduziert ist, man darf die Dicke der Schädeldecke nicht unterschätzen. Völlig gedankenlos, was mir eingedenk der Situation als sinnvoll erscheint, habe ich mich auf diese Musik als meine Retterin gestürzt.
Längst Begrabenes und zu Grabe getragenes will sich Gehör verschaffen, es schreit darum besonders laut, doch sieh an, die Musik ist lauter. Ich meine, innerlich zu ertauben, doch ihr Lärm umhüllt mich, und er erstickt den Teil von mir, den ich nicht mag, er schrumpft unter dem Würgegriff zusammen, gerade so, dass ich ihn ignorieren kann;
Wenn dich einer würgt, dann schrei, hat meine Lehrerin einmal gesagt. Die Aussage war mir idiotisch erschienen, also ich hatte einen Freund gebeten, mir die Kehle zuzudrücken. Dieses Experiment am lebenden Objekt bestätigte meine Vermutung. Es bewies sich uns die Unmöglichkeit, mit einer geschlossenen Luftröhre Laute zu produzieren.
Die Universalität dieses Phänomens zeigt sich mir jetzt aufs Trefflichste. Denn: Stille. Die Gedanken sind verstummt, sie haben ihren Inhalt ausgespien und sind nicht mehr.
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