Rosen aus Marmor
Sie hatten Marmor gewählt. Es würde zu ihr passen. Die Rosen, welche sich wie eine Schlange über die Platte schlängelten, würden ihr sehr gefallen. Ob Rosen alles wieder gut machen würden? Sie dachten es jedenfalls. Grau war der Tag, als ich sie verlassen musste. Und grau waren die Tage danach, seit die Dunkelheit sie verschlungen hatte. Selbst jetzt, drei Monate danach, erkannte ich die Welt ohne sie nicht wieder. Die Blätter fielen sachte zu Boden. Dort lagen sie, vor mir und versuchten den Boden zu verstecken. Der Herbst würde kommen, das säuselten die Blätter in der Luft, und machten sich ans Werk, ihn zu begrüßen. Ich schaute dem Wind zu wie er die Bäume kahl machte und den Boden schöner. Wie der eine geben musste um etwas Neues zu erschaffen. Das war es doch, was wir alle lernen sollten. Geben und Nehmen. Es entschied sich jedoch nie als gerecht. Mein Blick folgte dem Himmel. Er war für diesen herbstlichen Tag in einem wunderschönen Blau getaucht und wollte dem Menschen ein Lächeln entlocken. Doch die meisten Menschen starrten stur geradeaus oder waren mit ihrem Smartphone beschäftigt. Auf meiner Bank saß ein alter Mann, er hatte die Augen geschlossen. Ein abgewetzter schwarzer Hut bedeckte seinen kahlen Kopf. Er schlief. Um ihn herum liefen Menschen hin und her mit Sorgen, Problemen und größeren Ängsten. Doch der alte Mann hatte unter all den Menschen einen ruhigen Schlaf gefunden. Frei von all den schrecklichen Dingen, vor denen die meisten Menschen in eiligen schnellen Schritten zu flüchten versuchten. Ich selbst war niemand. Nicht der selig schlafende Mann und auch nicht die Menschen, welche wir alle mal waren, mit Ängsten verworben und der Zukunft im Blick. Die Zukunft war mir selbst immer ein Rätsel gewesen. Sie war die Rechte Hand der Zeit. Zusammen jagten sie den Menschen Angst und Schrecken ein. Dennoch gab die Zukunft dem Menschen Hoffnung. Denn mit Hoffnung konnte man sie ködern, ihnen verkaufen, dass sie noch Zeit hatten. Aber dem war nicht so. Der Tod kommt, wenn er sich bereit fühlt und nicht wann es die Menschen hoffen. Er schnappt sie sich am Mittagstisch. beim Joggen, Angeln, Feiern und Lachen. Zurück lässt er die Trauer. Ich trauere schon lange. Ob mein Herz denkt, es würde alles besser werden, wenn man traurg bleibt. Jedenfalls tut es mir keinen Gefallen, wenn es mich ständig an sie erinnert. Mein Kopf möchte weiter. Er sehnt sich schon lange nach der Freiheit neue Orte sehen zu können, neue Dinge zu lernen. Doch ich kann hier nicht weg, nicht so lange mein Herz mit dem Ihren verbunden ist. Der Friedhof begrüßt mich mit Stille und Trauer. Alles was mein Herz braucht, finde ich hier. Der Kiesweg knirscht unter meinen Schuhen. Ein wenig Lebendigkeit zwischen all den Gräbern. Ich sehe ihr Grab von Weitem. Die Rosen aus Marmor sind fein gearbeitet und hätten ihr gefallen. Aber sie ist tot und konnte sie nicht sehen. Denn Gräber sind für die Lebenden. Die armen Seelen, die nicht loslassen können, obwohl die Zeit es wünscht.
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