Rosen, Tulpen, Nelken
Seit zehn Minuten schon sitze ich einfach nur da. Während es draußen zu dämmern beginnt, sitze ich einfach nur am Tisch, starre das Bild an. Wie betäubt. Eigentlich muss ich noch einkaufen gehen, meinen Chef wegen einem Bericht anrufen, tausend Dinge erledigen. Trotzdem rühre ich mich nicht von der Stelle.
Da sind wir. An einem Strand auf den Malediven, letztes Jahr im Sommer. Wir beide mit Sonnenbrand und Strohhut. Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem das Foto entstanden ist. Wir sind am Abend Meeresfrüchte essen gegangen. Du hast mir Blumen geschenkt. Wie gestern.
Neben dem Bild auf dem Tisch stehen sie. Ein ganzer bunter Strauß. Fast noch frisch.
Ich liebe dich, hast du gesagt, das Besteck weggelegt.
Du bist mein Ein und Alles, hast du gesagt, aufs Meer hinausgeschaut.
Wir gehören zusammen, hast du gesagt, mich angelächelt.
Gestern hast du gleich, als du zu Hause warst, eine Vase gesucht. Dann bist du zu mir gekommen, hast mich geküsst. Wie immer.
Fröhlich bist du vorhin aus dem Haus gegangen, pfeifend. Als wäre alles in Ordnung, nichts verkehrt. Als würden die Nachrichten, all die Anrufe, die ich gestern auf deinem Handy gefunden habe, nicht existieren. Du hast die Tür einfach zugeschlagen.
Noch immer sitze ich vor dem Bild, starre es an. Die Geschäfte haben bestimmt schon geschlossen. Es ist mir egal.
Da sind nicht wir. Nur du und ich.
Langsam löst sich ein Blütenblatt aus dem Blumenstrauß, segelt langsam auf die Tischplatte. Verwelkt.
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