rot sehen durch abgegriffene schwarz-weiß Photographien
Ich halte ein Photo in der Hand:
Du, ich, eine Straße.
Immer wenn wir über Ampeln gehen
das kurze Zögern,
weil sie rot ist,
mit Blicken vergleichen wir unsere Maximen zur drohenden Handlung,
und gehen hinüber,
weil die Straße leer ist.
Ich glaube dir,
auch ich bin ein Opportunist
und wir füllen leere Straßen.
unsere Grenzen
kennen kein Ende,
aber sie sind manchmal da,
und zicken uns an,
was nicht weiter schlimm ist, denn
wir hängen uns an den Lippen,
weil sie rot sind
und vollere Worte bilden,
als wenn sie ungeschminkt wären,
und dass meine ungeschminkt sind,
hat keinen symbolischen Hintergrund,
weil ein einziger Kuss
schon abfärbt.
Wir sagen immer,
nur wir sind einander würdig,
aber dass nur,
weil wir siamesische Zwillinge sind,
die sich als Individualisten verstehen,
und aus anderen Augen sehen,
um einander nicht zu verlieren.
Dass wir die Weisheit mit dem Löffel gegessen hatten, merkten wir erst an der Erschütterung, die von den Schneidezähne ausgehend den gesamten Körper einnahm.
Schaudern, Kauern, Bedauern
und dann -
kein Weiterkauen
und ich will ein Ende.
Einander den Löffel geben
bedeutet sterben,
und das wollen wir nicht,
weil wir ja bekanntlich den Kopf drehen,
bevor wir bei rot über die Straße gehen.
Leben zu wollen
ist keine sinnvolle Gewohnheit,
müsste man meinen,
aber wir haben einander
und laufen gemeinsam nicht auf dem Gehweg,
weil nachts die Straßen leer sind
aber
Farbblind siehst du
Tinte auf meinem Mund,
oder eher meinen tintenbefleckten Mund -
genauer: es ist Tusche,
sie wäscht sich nicht einfach aus.
Wer ist der Autor deiner rot verbissen Lippen? -
würdest du mich fragen.
kannst du nicht,
Du bist farbblind.
Ich glaube dir,
auch ich bin ein Opportunist,
aber ich will ein Ende,
weil ich und du nicht nur wir und du heißt,
ich laufe über den Gehweg,
und weiß nicht wohin du gehst.
Habe ich dir genug Füße gelassen?
Ich halte ein Photo in der Hand
nicht dich
und das Photo vergilbt,
weil die Sonne scheint.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX