Sara’s Sprung
Heute ist der Tag. Der Tag, den sie nie vergessen würde. Es ist halb sechs. Draußen ist es noch schwarz und kalt. Sie wacht auf. Ihr ganzer Körper glüht, ihr Bett ist durchnässt, sie könnte schreien vor Angst. Doch sie bekommt kein Wort aus ihrem Mund. Es sind nur noch wenige Stunden, er kommt erschreckend schnell, der Moment. Es ist so weit. Sie steigt ein, ihr Herz pocht, ihre Knie zittern. Der Lärm der Motoren wird lauter und lauter. Und los. Nach wenigen Minuten ist sie über den Wolken, es ist wunderschön. Plötzlich werden die Motoren leise, es ist nichts mehr zu hören, es ist still, mystisch still. Endlich kann sie abschalten, es fühlt sich an, als ob die Angst aus ihrem Körper strömen würde. Sie fühlt sich noch nie mehr bereit als jetzt. Es ist, als ob sie alles tun könnte. Krck! Ein lautes Krachen ertönt. Sie fühlt einen Stich im Herz. Sie ist zurück in der Realität. Ihr Puls steigt, der Schweiß rinnt ihr über die Stirn. In weniger als einer Stunde ist es soweit. Sie will zurück. Langsam zieht sie ihren Fallschirm über die Schultern, der Gurt wird festgezogen und ihr wird schwarz vor den Augen. Sie kippt um. Sie liegt am harten Boden. Ihr ganzes Leben geht an ihr vorbei, alle schönen, sowie alle grausamen Momente.
Ein weiteres Krachen, sie ist zurück, bei Bewusstsein. Sie spürt nur noch eine harte Schraube, die in ihren Rücken drückt. Doch sie bleibt liegen, ihr fehlt die Kraft ihren Körper aufzuraffen. Jemand reicht ihr die Hand, mit zitternden Knien steht sie auf.
Es wird ernst. Die schwere Metalllucke öffnet sich. Ein starker Luftstoß weht herein. Sie wäre fast wieder umgefallen. Sie wagt einen kurzen Blick über das Loch, es ist furchteinflößend, ihr Puls schießt hoch. Sie kann ihren Körper nicht mehr steuern, sie fängt an zu toben, sie schlägt um sich. Es dauert einige Minuten bis sie die Kontrolle zurückbekommt. Sie weiß, es gibt kein Zurück mehr. Sie hat keine Wahl.
3… 2. . . 1, los. Mit schmerzenden Gliedmaßen bewegt sie sich zur Kante. Sie hofft es sei alles ein Traum und sie liegt in Wirklichkeit in ihrem Bett. Doch nichts. Sie befindet sich etwa 10000 Meter über dem Boden. Vor dem wichtigsten Moment ihres Lebens. Sie fasst all ihren Mut zusammen.
Ihr linkes Bein ist schon über dem Abgrund. Und los. Sie fällt. Sie fühlt nichts mehr, weder ihre Beine, ihre Arme, nicht mal mehr ihre Angst. Alles fühlt sich an wie nichts. Die Luft, die sich an ihr vorbei bewegt, der Boden, der immer näherkommt, die Motoren des Flugzeugs aus der Ferne. Alles fühlt sich ewig an. Doch es ist wundervoll. Plötzlich ist sie zurück aus diesem traumhaften Zustand, doch all ihre Angst ist weg, stattdessen fühlt sie Mut, so viel, wie sie sich nie hätte erahnen können. Kraft durchströmt ihren Körper welcher so lange ein nutzloses, von Angst gesteuertes Leben führen musste. Es ist, als wäre sie aus ihrem eigenen Gefängnis ausgebrochen, wo sie ihr Leben lang in Isolation war. Endlich ist sie bereit all die schweren Entscheidungen zu treffen, die vor ihr liegen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX