Scherben
Körper, die sich aneinanderschmiegen.
Musik, die verschwimmt.
Übertönt von Stimmen, die schreien, schreien, schreien …
Will duschen, für
Stunden
Tage
Wochen
Hauptsache, danach bin ich
sauber
Soll ich erzählen?
Mir glaubt doch keiner.
Soll ich erzählen, von der Nacht, so schwarz wie mein Kleid? Von den Scherben?
Eine flüchtige Berührung auf der Tanzfläche. Ein Versehen.
Der Duft von Aftershave und Minze hing für eine weitere Sekunde in der Luft, genauso die Hitze an meinem Oberschenkel. Sein Gesicht hatte ich nicht gesehen. Wie auch? Der Becher in meiner Hand war halbleer und zeigte bereits seine Wirkung.
Einige Minuten später war er wieder da, dieser Wind von Aftershave und Minze. Er rempelte mich an, ich tat es mit einem Lachen ab. „Ist schon gut“.
Nichts war gut. Alles begann zu verschwimmen.
Schwarze Punkte in meinem Sichtfeld, wirbelten um mich herum. Ich war fand mich wieder, gefangen in einer Wolke aus Aftershave und Minze. Sie schloss mich ein, ich war gefangen in einem Kerker aus Luft.
Warmer Atem an meinem Nacken. Hände an meiner Taille, Hände an meinem Rücken. Wie Scherben auf meiner Haut.
Dann: Schwärze. Nichts als nichts.
Aufwachen
eine Gasse, die nach Urin stinkt
Zuhause von Ratten
allein
Mein Kopf machte einen schmerzhaften Versuch, direkt wieder auf Hochtouren zu funktionieren. Entnervt ließ ich ihn gegen die Wand fallen. Wo war ich hier? Ich musste nach Hause. Warum konnte ich mich an Nichts mehr erinnern?
Meine Unterarme waren dreckig, meine Oberschenkel geprägt von blauen Flecken. Bei dem Anblick überzog sich mir eine Gänsehaut und ich erzitterte.
Als ich meine Arme und Beine betrachtete, kamen sie plötzlich wieder. Erinnerungsfetzen, Hände überall.
Ich fühlte mich ekelhaft, als würde ich die Hände noch spüren, als hätten sie sich unter meiner Haut eingebrannt.
Diese dreckigen, gierigen, groben Hände hatten einen Teil meiner Seele genommen.
Selbst nachdem ich mich aufgehievt hatte und nach Hause gelaufen war, nachdem ich geduscht und alles stundenlang geschrubbt hatte, spürte ich weiterhin jeden Griff, fühlte mich weiterhin wie etwas Zweckloses, das man benutzt und dann weggeworfen hatte.
Selbst nach alldem hörte ich nicht auf, es zu zerdenken.
„War es meine Schuld gewesen? Die meines schwarzen Kleides? Warum hatte ich nichts getan? War ich wirklich so schwach? Warum spielte mein Kopf so verrückt?“
Selbst nach alldem wusste ich nicht, ob es Sinn machte, es anzuzeigen, obwohl ich offensichtlich Schaden davongetragen hatte. Ich wollte es nicht einsehen.
Jetzt ist es bereits ein Jahr her, die Gedanken haben kein Ende genommen. Ich vermute, das werden sie auch weiterhin nicht. Damit hab ich mich schon abgefunden.
Egal was kommt, die Scherben bleiben.
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