Schäfchen
Schafe von Horden im Grase liegend, schlafend oder ihr Innerstes besiegend.
Schäfchen, oh Schäfchen, ihr braves Getier, steht auf der Wiese in Grasesgier.
Menschen wollen nicht begreifen, dass sie sich versteifen in Emotionen verstrickt, während die Sonne niemals in den Norden blickt. Menschen wie Sand am Meer, verstreut, verweht, verblasen, so leer. Strengen sich an, bis keiner mehr kann, bleiben liegen, warten auf den eisernen Mann. Liegen am Meeresboden, nass, dreckig, aufgebläht, durchweicht, innerlich getränkt, versenkt, in eine Richtung gelenkt, erhängt, in einen Rahmen gezwängt.
Richtung und Rahmen wie Verbündete kreisend, die köstliche Sud des Lebens verspeisend, wie Geier sich des Verstandes erlabend, thronen sie oben in Lüften in Winden trabend, als Wegbegleiter, Teufelsreiter, saugen aus den Wunden den Eiter, bevor er kommt der grässliche eiserne Mann, der Leben nehmen kann.
Vollgesogen mit Hoffnung, vom Leben entzückt, verstehen nicht, im weiteren Lauf hinuntergedrückt, den Weg beschreitend gebückt, am Boden kriechend erdrückt, suchend die köstliche Frucht im Garten, gefunden, gepflückt. Ein Fehler, Irrtum, Missgeschick. Da ertönen die Klänge, die Eisenflut, brennend die Tore in feuriger Glut, durchlöchert, durchbohrt vom auglosen Blick, legt er nun um den ketternen Strick.
Flehklagen gen Himmel, steht auf, ihr Unschuldslämmer in Todesmanie, steht auf, ihr Sündenverweigerer in verstimmter Philharmonie.
Schäfchen, oh Schäfchen, ihr braves Getier, steht auf der Wiese in Grasesgier. Nicht begreifend, was kommen kann, hört ihr denn nicht den eisernen Mann. Das Scharren, das Beißen, das Stopfen, das Klopfen, das Reißen, das Starren, Zeitpunkt um Zeitpunkt vergehend, mit Blick in die Einöde spähend, keinen Fehler erkennend, die Zukunft verbrennend.
Schafe mit weißer Wolle, gesponnen von Unschuld Frau Holle. Fragend ihr Aug gen Himmel schaut, mehr schafft sie nicht, die sich nicht mehr traut. Eingeweidebrennend ihr Inneres ist, eine Frage sie hat, die sie von innen heraus auffrisst. Können wir das Getier, der Mensch und das Schaf, beide in ihrer Herrlichkeit unfehlbar und brav, können wir, sich selbst hier sie meint, können wir sie noch bewahrend retten, bevor er, der eiserne Mann, sie legen kann in Ketten?
Die Antwort allein weiß der eiserne Mann, der Leben nehmen kann.
„Schäfchen, oh Schäfchen, ihr traurigs Getier, fleht nur, es bringt nichts. Ihr gehört nun mir.“
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX