Schlaflos
Es war so dunkel, dass er zu Beginn nichts sehen konnte, noch nicht einmal die Umrisse des Kissens, auf dem er lag. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis seine Augen sich an die Dunkelheit angepasst hatten und er sein Kissen erkennen konnte, doch richtete er seinen Blick zur Decke seines Zimmers, einem Bild, das er nur allzu gut kannte. Viele schlaflose Nächte hatte er damit verbracht sich dieses Bild einzuprägen, in verschiedenen Beleuchtungen des Mondlichts. Er dachte an nichts, er war einfach nur entspannt und genoss die Ruhe, die ihm diese Szenerie bot. Um ihn war es leise, ruhig, normal, so wie immer, bis er plötzlich ein leises Streichen von Haut auf einer Bettdecke, ein unverkennbares Geräusch, vernahm. Und der Ursprung befand sich direkt neben ihm. Er neigte seinen Kopf mit einer langsamen Bewegung und da sah er sie.
Sie lag da, eine Hand auf der Bettdecke, sie war der Herkunftsort des Raschelns gewesen. Ihr Gesicht war auf die Decke gerichtet, er konnte es kaum sehen. Seine Augen hatten sich zwar etwas an die Dunkelheit gewöhnt, aber nur gerade so einigermaßen. Was er sehen konnte, war, dass sie schlief, langsam, leise und gleichmäßig hob sich ihre Brust. Er kannte sie, erkannte sie, war mit ihren Gesichtszügen vertraut, konnte selbst ihre Haarfarbe kraft seines Verstandes erkennen.
Doch dann, als ob der Regisseur den Scheinwerfer auf die junge Schauspielerin richten ließe, zog eine Wolke am Mond vorüber und sein Licht konnte mit voller Kraft durch das Fenster auf sie fallen. Mit dem Licht konnte er zwei Bewegungen ausmachen. Erstens ein Zittern, das von Kälte zeugte. Zweitens wandte sie ihren Kopf in seine Richtung. Jetzt erst fiel ihm auf, dass sein Herz schon seit dem Moment, in dem er ihre Hand hatte rascheln hören, wie verrückt schlug. Doch wollte er dem nicht zuviel Zeit, keinen Gedanken zuviel schenken, stattdessen legte er, mit einer sanften Bewegung, die Decke über ihren Körper. Sowie alles außer ihren Augen, die funkelten, dass selbst die Sterne sie beneideten, ihrem Mund, der sich zu einem Lächeln verziehen konnte, das er nicht in Worte zu fassen vermochte und ihren Haaren, die das Bildnis ihres Antlitzes mit kräftigem Braun umrandeten, bedeckt war, konnte er wahrnehmen, wie sie sich entspannte. Er wollte sie nun noch länger betrachten, ihr Bildnis an die Stelle der nur allzu vertrauten Erinnerung des Anblicks seiner Zimmerdecke rücken, doch war ihm das nicht vergönnt. Er wachte auf.
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