Schlechte Entscheidungen verbessern meinen geistlichen Zustand
"Herr Saramov, können Sie bitte noch einmal erzählen, was hier um neunzehn Uhr zwanzig stattfand? "
"Ich habe schon alles Ihren Kollegen gesagt. Ich verstehe nicht, was das bringt. "
Ich warte, vielleicht geht er weg.
"Ich weiß, wie schrecklich das ist für Sie. Aber wir wollen nur helfen. Je genauer Sie uns davon erzählen, desto schneller können wir diesen schrecklichen Tag hinter uns lassen. ", murmelt der Polizist mit Mitleid in der Stimme.
Mein Gehirn protestiert. Ein- und ausatmen.
"Als ich vor einer Stunde nach Hause kam, habe ich zwei Leichen in der Küche entdeckt. Eine davon war meine Frau. Ihr wurde in den Nacken gestochen. Die zweite Leiche war ein Mann, den ich nicht kenne. Er hatte ein Küchenmesser in der Hand. Auf seinem Arm befindet ein langer Schnitt. ", antworte ich schließlich. Mein ganzer Körper zittert.
Immer noch, dieses komische Gefühl, das etwas fehlt. Jetzt wird es immer so sein, wenn ich etwas sehe, was mich an sie erinnert.
Der Polizist schaut mich verwirrend an. Er macht Notizen auf seinem dicken Collegeblock.
"Sie sind noch im Schock, verstehe ich. Sie kriegen dann die Leiche fürs Begräbnis, nachdem unser Gerichtsmediziner mit der Obduktion fertig ist. "
TsssTsss
"Es tut mir wirklich, wirklich leid. "
Eine Stunde später steigt er in das Polizeiauto ein und verschwindet aus meiner Sicht. Die Rettung und die Feuerwehr folgen ihm.
Ich beobachte die Fliegen, welche sich ununterbrochen an die Straßenlichter nähern, sich aber weigern, die Lichtquelle zu berühren. Gerade im den Moment sehen sie genau wie meine Nachbarn aus. Ängstlich und idiotisch. Sie schauen mich an, in ihren weißen Nachthemden und schmutzigen Hausschuhen, aber keiner spricht mich an. Wie dumme, wilde Tiere. Irgendwann sind auch sie weg.
Diese Ruhe ist genau so friedlich wie ein Friedhof oder ein Klischee. Und ich fühle mich so dumm und allein, und. . . beobachtet?
Muss bloß die Ermüdung sein.
Es vergehen Tage. Irgendwann habe ich mich abgelenkt, und aus elf Tagen sind sechs Monate geworden. Ich vermisse sie noch immer.
Aber ich bin kein Superheld, Geisterbeschwörer oder Wundertäter. Wenn ich so weitermache, werde ich zu einem dieser alten Männer, die ich als Teenager immer verarscht habe.
Vielleicht ist es auch besser so, dass der Polizist mich noch immer nicht wegen dem Fall anspricht, dass so viele meiner Fragen jetzt für immer unbeantwortet bleiben.
Einiges hat er mir aber gesagt. Der Mann hieß Wolfgang Braun. Er war ein Mechaniker. Meine Frau wurde höchstwahrscheinlich von ihm erstochen. Ich habe so lange darüber nachgedacht. Aber ich verstehe es einfach nicht. Und ich habe genug von der Enttäuschung. Ich habe genug von allem und jeden. Ich will nur Ruhe.
Jede Woche besuche ich ihr Grab. Auf dem Foto sieht sie so ruhig, so schön aus. Es freut mich.
Ein sonniger Tag.
Ich verbringe diesen heißen Sommer im Park unter den grünen Apfelbäumen und lese. Ich arbeite schon lang nicht mehr. Mir geht es so gut.
Dann sehe ich, wie Wolfgang Braun ein Vanilleeis kauft.
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