Schneewittchen
Ein Schnitt, ein Riss und dünne Perlen. Und noch einmal. Und noch einmal. Die ersten roten Tropfen fallen auf die weißen Badezimmerfliesen. Ich wische mit der Hand darüber, zurück bleibt ein Gefühl der Leere und eine hellrote Spur auf meinem Handrücken. Und so einfach ist es. Ich denke nach. Darüber, dass von diesem Moment nichts außer einer kleinen Narbe bleiben wird. Ich schalte das Wasser an und teste mit den Zehenspitzen ob es warm genug ist, dann steige ich hinein. Das Wasser brennt auf meiner Haut und der heiße Dampf riecht nach Blut. Ich setze mich hin, sehe zu, wie das rosafarbene Wasser in den Abfluss sickert. Früher, als ich noch blonde Locken hatte, gab es rot auf weiß nur in Schneewittchen und Narben nur vom Fahrradfahren. Damals hasste ich Duschen genauso sehr wie jetzt und mein Lillifeeshampoo färbte die Dusche rosa. Ich freue mich nicht mehr auf Weihnachten, lebe nur noch wirklich damals. Ich verstecke mich in der Vergangenheit wie in dem hintersten Winkel eines Schneckenhauses, die Zukunft wirkt nicht mehr so bunt auf mich. Ich drehe das Wasser ab, greife nach einem Handtuch. Ich bin so müde. Ich weiß, dass ich zu viel nachdenke, und doch kann ich es nicht lassen. Vielleicht ist die Vergangenheit nicht nur mein Fluch, sondern auch meine Rettung. Vielleicht werde ich wieder glücklich werden, wie damals, als ich am Weihnachtsabend die Geschenke aufriss. Vielleicht werde ich irgendwann Kinder haben und ihnen dabei zusehen, ihre Augen vor Freude strahlen sehen. Vielleicht wird mich die Zukunft noch verzaubern. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Vielleicht wird alles gut.
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