Schularbeitsergebnisse
Solche Momente gehören in der Schulzeit sicher zu den Schlimmsten. Wenn man darauf wartet, eine Schularbeit zurückzubekommen, bei der man von Anfang an kein besonders gutes Gefühl hatte. Bei mir sind es die Englisch-Schularbeiten und gerade hat unsere Lehrerin begonnen sie auszuteilen. Dieses Fach ist wirklich nicht meine Stärke, ich kann mich schon über ein gutes Genügend freuen. Das müsste ich auch bei dieser Arbeit schaffen, jedenfalls wenn ich keine mündliche Prüfung machen möchte. Das wäre für mich noch schwieriger als eine Schularbeit, meine Aussprache ist nämlich auch nicht besonders gut. Aber anders würde ich meine Note nicht mehr ausbessern können, das Schuljahr ist doch bald zu Ende. Der Lehrerin kommt langsam durch die Reihen in meine Richtung. Meine Hände fangen an zu zittern.
Die Schülerinnen und Schüler, vor denen bereits eine Arbeit liegt, beginnen leise mit ihren Nachbarn zu flüstern.
Es wäre doch wirklich schlimm, wenn ich jetzt, so kurz vor dem Notenschluss noch ein „Nicht genügend“ bekommen würde. Ich habe mich doch eigentlich immer sehr angestrengt. Bei jeder Hausübung habe ich mein Bestes gegeben, jede möglich Extraarbeit gemacht. Ich habe immer versucht, mich gut auf die Schularbeiten vorzubereiten. Ich wäre wirklich enttäuscht von mir, wenn es jetzt doch nichts gebracht hätte.
Jetzt wird es lauter in der Klasse. Immer mehr Schülerinnen und Schüler bekommen ihre Schularbeiten zurück, manche freuen sich, manche beginnen zu weinen, manche trösten ihre Freundinnen und Freunde. In meinem Magen bildet sich ein dicker Kloß.
Ich muss daran denken, wie viel Geld meine Eltern für meine Nachhilfe ausgegeben haben müssen, diese hat sich auch so viel Mühe mit mir gegeben. Sie hat viel mit mir gelernt und immer versucht, mir alles zu erklären. Sie hat mir jedes Mal, wenn wir uns getroffen haben, Arbeitsblätter mitgenommen, um zu üben. Es würde mich traurig machen, wenn sich ihre Mühen nicht ausgezahlt hätten.
Die Lehrerin bleibt vor meinem Tisch stehen und klatscht mir die Blätter vor die Nase.
Ich blättere mit unsicheren Händen die Seiten um.
Und in dem Augenblick, in dem ich lese, was auf der letzten Seite ganz unten steht, fällt mir ein riesengroßer Stein vom Herzen:
„Note: Befriedigend“
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