Schuld
Ich starre auf meinen Teller. Essen ist der Feind. Essen ist das, was jeder braucht aber ich so sehr verabschäue. Und ich merke wie meine kleine Schwester es auch tut und da verspüre ich Schuld. Ich möchte nicht schuldig daran sein, dass sie es auch erleben muss. Sie ist so jung und so schön und trotzdem passiert es. Alles was mir passiert ist, im Moment ist und noch sein wird. Und ich möchte ihr helfen, ihr zeigen, dass sie schön ist und essen ganz normal, doch ich schaffe es nicht einmal bei mir selber. Ich kann es einfach nicht.
Meine Eltern schauen mich an und werfen mir Blicke zu die sagen: „Nicht sie auch noch“ und „Warum musst du das tun“. Da verspüre ich wieder die Schuld und langsam bekomme ich Tränen in die Augen. Ich möchte aufstehen, wegrennen und schreien aber alles was ich tue ist sitzenbleiben und weiterhin auf mein Essen starren. Die Portion ist klein aber kommt mir so unglaublich groß vor.
„Linda bitte“, ertönt die leise Stimme meiner Mutter und befördert mich zurück in die Realität. Die in der ich hungere und meine Schwester jetzt auch, denn ich bin doch ihr Vorbild. Ich möchte es nicht sehen, ich will nicht in das Gesicht meiner Mutter schauen aber schließlich tue ich es doch. Trauer, Wut, Verständnislosigkeit. Ich schäme mich dafür was ich tue, aber was kann ich dafür das sie es auch tut. Trotzdem fühle ich mich schuldig.
Ich sehe meine Schwester an und nehme langsam meinen Löffel in die Hand. Führe ihn zu meinem Teller und befülle ihn mit Essen. Ganz vorsichtig nehme ich ihn in meinen Mund und schlucke. Obwohl es etwas so Normales ist, ist es fast wie Neuland für mich. Aber ich will es versuchen. Für sie.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
