schwarzgelb
Der Holzboden knirscht, als meine nackten Fußsohlen ihn berühren. Meine Augen sind noch verträumt und erkennen nicht einmal die Umrisse des Zimmers. Die substanzlose Schwärze umschließt mich und zum Zerreißen gespannte Stille füllt mich aus. Meinen Körper bedeckt nur ein dünnes Stück Stoff, unter dem sich eine Gänsehaut bildet. Ich sitze auf der Kante meines Bettes, in dem ich eine traumlose Nacht zugebracht habe. Ein einziges Wort zieht seine Bahnen durch meine Gedankengänge, bis diese Spirale alles ist, was meinen Kopf beherrscht. Plötzlich frieren meine Adern zu, meine Fingerspitzen kann ich nicht mehr spüren. Spitzen aus Eis durchbohren mein Herz. Die Arme verschränken sich ganz und streichen automatisiert über die Schultern, doch wie immer ist der Versuch vergebens, diesem Körper Wärme zuzuführen. Eine neue, nur allzu bekannte Emotion packt mich und rammt die spitzen Krallen in mein Fleisch. Auf Knopfdruck erwacht die fahle Nachttischlampe und schenkt der Umgebung kühles Licht. Mein Schatten erhebt sich nur schwerfällig und wie in Trance. Genau vier große Schritte sind es bis zum Spiegel, vor dem sich die Silhouette im Schneidersitz niederkniet, wo mein zweites Ich bereits wartet. Grüne Augen werden von dunklen Ringen umrahmt und ich starre mit stumpfen Pupillen zurück. Minutenlang liefern wir uns ein stummes Duell aus Blicken, bis ich als Erste demütig die Lider senke. Meine Augen bleiben geschlossen und das Pochen in mir wird immer stärker. Immer dieselben Sätze hallen durch die schmerzvolle Lautlosigkeit in mir. Heute muss ich stark sein. Heute wird ein guter Tag. Heute darf ich nur an das Schöne in meinem Leben denken. Heute habe ich den Mut, ich selbst zu sein. Heute konzentriere ich mich, nur einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Das Echo wird zurückgeworfen. Bilder ziehen vor meinem inneren Auge vorbei, Erinnerungen tänzeln auf dem Stahlseil der Vergangenheit.
Langsam, aber sicher erwärmen sich meine Fingerspitzen von selbst. Meine Hand greift nach in die Leere, bis sie Widerstand spürt und den ersehnten Schalter findet. Augenblicklich wird der Raum mit gelber Farbe geflutet. Reflexartig blinzle ich, bis sich meine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt haben. Das lautlose Pochen verstummt. In meinem Nacken spüre ich punktförmige Schmerzen, aber die Krallen scheinen verschwunden zu sein. Noch immer beengen Splitter aus Eis meine Brust, doch nun strömt Adrenalin durch meine Blutgefäße. Ich trotze meinem Spiegelbild mit einem Lächeln, gebe es somit der Lächerlichkeit preis. Es betrachtet mich nachdenklich, sein Gesichtsausdruck bleibt ernst. Ich lache mir selbst lauthals ins Gesicht.
Heute bin ich stark. Heute ist ein guter Tag. Heute denke ich an das Schöne. Heute bin ich ganz ich selbst. Heute setze ich nur einen Schritt vor dem anderen. Heute lasse ich mich nicht unterkriegen.
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