96 Stunden, 4 Geschichten, 1 Mittsommernachtvon Felix Denk
Die mit der Todeskugel tanzt (noch 96 Stunden)
Es war an einem viel zu heißen Frühlingstag - die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten - da betrat Caroline“The Bullet” Curtis den schäbigen Tabak- und Gemischtwarenladen von Bakerville. Die Auslagenfenster waren von einer feinen Staubschicht illustriert, die im Nachmittagslicht zur Geltung kam und auch die einst azurblaue Ladeneinrichtung durfte schon länger kein Putzfetzen mehr berührt haben. “Howdy, Cathrine! ”, grüßte Caroline die Tabakhändlerin ihres Vertrauens, während sie mit ihren Stahlkappen- Stiefeln hörbare Kratzer im Parkett hinterließ. “Na, lässt du dich auch wieder mal hier blicken? ”, nuschelte Cathrine Zuckermill, die schnell ihren Kautabak in den Spucknapf hinter dem Tres
Übermüdet starrte Tom mit geröteten Augen auf den schwarz-weißen“Text einreichen”- Knopf, die Spar Energy Dose mit Traubengeschmack um 0, 59€ fest umklammernd. “Kein Schwein interessiert sich mehr für Western”, dachte er und wechselte wieder den Tab zu Word. Exakt 97 Wörter. Frustriert markierte er jedes einzelne Wort blau und drückte lange und nachdenklich auf die Löschtaste, obwohl die Wörter sofort verschwanden.
Nachtschwärmer (noch 72 Stunden)
Nun stehst du da im Laternenlicht der Haltestelle. Tust, als wäre nichts gewesen. Steckst dir einfach eine Zichte nach der anderen an. Unter dir bildet sich bereits ein Haufen, der nach Tabak und Nikotin stinkt. Tust so, als wäre es normal einen Müllsack zu schultern, der 10 Riesen abgepackt in 100€- Scheinen enthält. “Du hast gesagt, in der Seitenstraße stehe dein beschissener Mustang”, blaffe ich dich an. Meine Hände zittern noch vor Nervosität. “Naja. . . er ist heute Morgen einfach nicht angesprungen. Du weißt, das Benzin ist jetzt scheiße teuer und vielleicht hat er einfach die Super- Mischung nicht vertragen. . . man muss Kompromisse schließen, wenn man in diesem Gewerbe tätig ist”, nuschelst du unter deiner Schimaske und drückst die qualmende Tschik an dem Fahrplan aus, auf dem die Route unseres Busses vermer
Tom hasste auch diesen Text. Er erinnerte ihn zu stark an sein Privatleben. Auch hasste er seine Deutschlehrerin, die ihn zu diesem Akt der Zwangsfantasie genötigt hatte. Tom konnte sich einfach nichts auf Knopfdruck aus den Fingern saugen. Erschöpft landete er mit seinem Handy im Bett und der Text im Papierkorb. Er hatte ja immer noch Zeit. . .
Miau mir das Maunz vom Tod (noch 48 Stunden)
Fuck, stickig is´ es hier, Miau, und das grüne Licht heizt wie eine frische Mäuseniere im Schnee, Miau, für die Wissenschaft hieß es, Maunz, und trotzdem könnt´ der Karton von der Größe her mein Kist´l sein, Miau, hätt ´ich mich nur auf das Gesicht von meinem Herrn Schrödinger gelegt, während er geschlafen hat, Miau, dann wär´ ich den hundsmäßigen Schuft jetzt los, Fauch, oder die Krallen in ihm versenkt oder ihm ins Reagenzglas gekotzt oder unabsichtlich eine Ampulle voll Quecksilber vom Regal aus in seinen Kaffee geworfen - aber Rache ist gewiss, sobald ich hier mal draußen bin, Muhaha- Miau, schließlich bin ich weder tot noch lebendig; eine Wiedergänger- Katze sozusagen, Maunz, “Zombiekatze ermeuchelt berühmten Physiker”, eine Schlagzeile in der BILD wird das scho
Toms Rücken schmerzte, als er seinen Hustensaft-Shot geext und auf seinem winzigen Schreibtisch abgestellt hatte. Der Schultag heute war lang gewesen. Vor allem hatte sich die Doppelstunde Chemie gezogen. Toms Nase rann und er schoss eine Dosis Nasenspray noch hinterher. Irgendwie fühlte er sich wie Schrödingers Katze: Eingesperrt in einer Box und weder lebendig noch wirklich tot. Entschieden klappte er den Laptop zu und widmete sich wichtigeren Dingen: Den Livestream der Berliner Schachbox-Meisterschaft auf seinem Smartphone zu verfolgen. Morgen war ja schließlich auch noch ein Tag. Und der Text? Der erlitt das gleiche Schicksal wie die vorherigen zwei.
Kleine Alpträume (noch 24 Stunden)
Ein kalter Lichtkegel durchbricht das schwarze Geäst und wirft Schatten auf den bemoosten Boden und andere dünne Bäume, die wie Zahnstocher aus der Erde ragen. Angegraute Wolken ummanteln den gebrochenen Halbmond und sorgen für eine Stimmungsschwärzung. Die diffusen Schatten sind für den kleinen Jungen mit der Haube und dem dicken Mantel jedoch viel mehr als eine bloße Illusion des Lichts. Für ihn sind es hochgewachsene Kreaturen der Nacht, die da im Unterholz hausen. Doch es sind keine fiesen Monster, die gleich angreifen könnten. Nein. Viel eher erscheinen sie ihm wie sanfte Beschützer. Beschützer vor
Toms Finger mit den abgenagten Nägeln zitterten. Sein rechtes Bein war müde von dem nervösen Gewippe. Aus dem 0, 25l Spar Energy war ein 0, 50l Monster Energy geworden und diesmal hatte er weder YouTube geschaut noch Meisterschaften von Randsportarten. Er hatte die ganze Nacht für diese wenigen Zeilen verschwendet.
Er trat an das Fenster. Die Sonne schob sich bereits hinter den stahlgrauen Alpen hervor und schien auf Toms blasse Haut. Es war ihm, als würde er ein Spiegelbild betrachten. So wie Tom in seinen Texten, gab der Horizont ein Ende vor, das für ihn unerreichbar war. Toms Texte waren wie eine Mittsommernacht: Zu kurz und sie führten nirgendwo hin.
Als Tom abends heimkam, war es schon spät, weil er zuvor noch einen Poetry Slam besucht hatte. Gelangweilt scrollte er ein letztes Mal über die knallgelbe Seite namens“Texte Salzburg”. Tom mochte Mittsommernächte und somit auch sein Werk. Dann drückte er auf den schwarz-weißen“Text einreichen”- Knopf.
Schade, dass es bereits 0: 01 Uhr war und der Text niemals auf der Homepage ein Ende finden wür
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