Seelentod
Ich stand an der Klippe.
Nur ungefähr 5 Schritte vom Rand entfernt.
Meinem Erlöser.
Ich hatte keine Kraft mehr. Hatte genug. Hatte genug von dieser Welt. Hatte genug von meinem Leben. Hatte keine Kraft mehr hier zu bleiben, mich an mein Leben zu klammern, weiter zu kämpfen. Ich hatte es satt. Hatte genug vom ewigen Kämpfen. Hatte genug immer wieder wegen meiner Naivität betrogen zu werden.
Ich machte einen Schritt nach vorn.
Nur noch 4 Schritte fehlten zur Erlösung.
Ich fror. Kein Wunder, denn an meinem dünnen Körper trug ich nur ein T-Shirt und eine Hotpants und das bei gerade mal 10 Grad. Meine langen schwarzen Haare wirbelten im aufkommenden Wind. Ich lächelte. Wer hätte noch vor 2 Jahren gedacht, dass ich, eine 19 jährige, attraktive und aktive Frau, mich mal von der Klippe stürze, weil ich genug vom Leben habe? Ich denke niemand. Ich war immer das große Vorbild vieler Kinder gewesen, hatte nie genug von deren Lächeln sehen können. Von den armen Kindern im Waisenheim, in dem ich bis vor einem halben Jahr gearbeitet hatte, als das große Unglück passierte. Ein Irrer stürmte das Haus und tötete alle. Alle außer mich. Weil ich zuhause geblieben war. Es ginge schnell das Gerücht um, dass ich den Irrenmassenmörder beauftragt hatte. Ich bekam keinen Job mehr und rutschte ab.
Ich tat einen weiteren Schritt auf den Abgrund zu.
Nur noch 3 Schritte.
Ich geriet fast in die Prostitution, doch ein Mann rettete mich. Zumindest dachte ich das. Schnell begriff ich, dass er mich nur ausnutze und als er erkannte, dass ich ihn durchschaut hatte, verkaufte er mich an ein Bordell. Dort erlitt ich Schmerzen und tiefste Demütigung. Dort lernte ich wie es ist ein Sklave zu sein und unter allem zu stehen. Doch bald hatte ich genug. Genug davon ständig auf Befehle hören zu müssen. Ich rannte weg.
Ich ging wieder einen Schritt auf die Tiefe zu.
Nur noch 2 Schritte.
Ich suchte ihn. Meinen „Retter“. Als ich herausfand, wo er zurzeit wohnte, brach ich seine Wohnungstür auf und versteckte mich. Ich hatte mir mit meinem einzigen Geld ein großes Messer gekauft, das ich auch dabei hatte. Als er ins Schlafzimmer kam, erstach ich ihn hinterrücks. Doch in meiner Wut konnte ich nicht genug kriegen von seinem Blut. Viel zu oft stach ich auf ihn ein.
Wieder ging ich einen Schritt auf die Schlucht zu.
Nur noch ein Schritt und ich würde diese Welt verlassen.
Der letzte Schritt.
Als ich nach unten schaute, sah ich die schwarzen großen Wellen an die harte Felswand schlagen. Bald würden sie mich verschlucken. Seit ich ihn umgebracht habe, lebte ich auf der Straße. Jetzt hatte ich genug von diesem Elend. Ich wurde gesucht wegen Mord, hatte viele Schulden und einfach genug von meinem Schicksal.
Ich drehte mich ein letztes Mal um.
Betrachtete den Wald hinter mir. Es war wahrlich ein schöner Ort zum Sterben. Ich lächelte ein letztes Mal, genoss noch eine leichte Windbriese und stürzte mich dann mit ausgestreckten Armen in die Tiefen.
//Ich sage dir Tschüs Welt…. Ich hab genug von dir//
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