Sich trauen - aber wie?
Mut war nie eine Stärke von mir. Sie ist es nicht gewesen und sie wird es wahrscheinlich auch nie sein. Ich bewundere meine Geschwister, die Dinge für mich erledigen, wofür ich wenig Mut habe. Seien es auch nur kurze Telefonate. Mutig genug bin ich heute aber noch nicht.
Ich habe Mut gezeigt, als bestimmte Menschen von uns gegangen sind. Meine Geschwister und ich haben Mut gezeigt, indem wir versucht haben, Leben zu retten, Verluste zu akzeptieren, Gefühle zuzulassen und zu trauern.
Doch was lösen Erlebnisse wie diese, in denen ich Courage gezeigt habe, in mir aus? Bin ich glücklich, dass ich überhaupt Mut gezeigt habe? Habe ich mich selbst enttäuscht, da ich zu wenig oder gar zu viel Mut bewiesen habe?
Rückblickend auf meine Vergangenheit kann ich sagen, dass ich sogar mehr Mut als andere Kinder in meinem damaligen Alter gezeigt haben könnte. Ich habe gelernt, mit Schicksalsschlägen umzugehen. Das mag zwar eine etwas andere Methode sein, Mut zu beschreiben, aber eine Methode, mit der ich mich selbst identifizieren kann.
Oft passiert es mir, dass meine Mitmenschen, egal ob diese sich kennen oder nicht, sich beschimpfen, sich streiten oder sogar körperlich aufeinander losgehen. Aus welchen Gründen auch immer. Was mache ich in solchen Situationen? Ich observiere. Ich greife nicht in die Situation ein, aus Angst, selbst verbal oder körperlich verletzt zu werden und aus Angst, etwas Falsches zu sagen.
Nachdem ich mich in gewisse Gegebenheiten nicht einmische, mache ich mir jedoch viele Gedanken darüber, was denn nun gerade passiert ist. Hätte ich etwas tun sollen? In den meisten Fällen hätte ich das gerne, getraut hätte ich mich nicht. Das, was ich während Konfrontationen, in denen ich nicht beteiligt bin, fühle, sind Wut, Aggression und Ärgernis. Weil es mich stört, aus welchen unnötigen Gründen gestritten wird. Natürlich bin ich selbst Schuld, wenn ich nicht eingreife, mich aber dennoch aufrege. Daher möchte ich mich mehr trauen.
Die Frage ist nur, wie traue ich mich mehr? Meine Antwort: Sich überwinden. Ich weiß, dass das nicht einfach ist und dass ich ungern meine Komfortzone verlasse. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan. Zu lernen, sich mehr zu trauen ist ein langer Prozess. So sehe ich das zumindest. Dinge zu machen, für die man vorher zu wenig Mut hatte, hinterlassen auch psychisch Änderungen. Die eigene Denkweise verändert sich völlig.
Heute kann ich von mir sagen, dass meine Vergangenheit meinen Mut ausmacht. Alles, was ich erlebt habe, sei es positiv oder negativ, hat meine Courage stark beeinflusst.
Jede einzelne Bestellung, die ich im Restaurant abgebe, jedes Telefonat, welches ich selbständig führe, jede Frage, die ich fremden Menschen stelle und generell jede Interaktion mit Menschen, mit denen ich zuvor nicht zu tun hatte, machen mich zu einer mutigeren Person, als ich es vorher gewesen war. So lerne ich, mich mehr zu trauen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX