Simples Ende
Ich liebe dich.
Mit dir hat mein Leben erst richtig angefangen, so könnte man sagen. So würde ich sagen. Woher hätte ich wissen sollen, wie schön das Leben sein kann? So wie der Tag die Sonne braucht, das Lied den Ton und der Baum den Regen, so brauche ich dich.
Sag mir, wie können solch gewöhnlich dunkelbraune Augen so einzigartig sein? Wie kann dein Lachen unter Tausenden so unverkennbar sein und ansteckender als ein fieser Sommerschnupfen? Aus einem Treffen wurden zwei, aus zwei wurden drei und mein Leben schien in den Startlöchern zu hocken. Vorfreudig. Aufgeregt. Mehr wie die Nacht vor dem Geburtstag oder der Duft von frischem Apfelkuchen im Ofen.
Als wir zusammen in unsere erste Wohnung zogen, du, ich und unsere kleine Yuccapalme vom Ikea, die sich am Balkon an der Südseite sonnte, dachte ich, so fühle sich Glück an. Mein Leben war im vollen Sprint.
Den Stein im Weg habe ich nicht kommen sehen.
Schwerer Autounfall an der A2 Richtung Wien- 24-jähriger schwer verletzt
Meine Angst um dich, die Sorgen, die mir im Krankenhaus durch den Kopf schwirrten, kann ich nicht in Worte fassen. Der harte, blaue Plastikstuhl im Wartesaal war unangenehm und mein Gesäß tat weh, doch ich ignorierte es, verglichen zu dem, was du durchstehen musstest, war das schließlich zum Lachen. Obwohl es lange dauern würde, bis ich das nächste Mal wieder etwas zum Lachen haben würde. Also wartete ich. Wartete, bis mir mit einem herzlichen Beileid mitgeteilt wurde, dass dein Herz aufgehört hat zu schlagen. Kein Happy End, keine Wende.
Die Rettung hätte früher kommen müssen. Dich retten müssen, denn so heißen sie doch, nicht? Rettung. Aber es war zu spät, als sie dich auf die Trage hoben, deinen Puls maßen, dich behandelten. Keine helfenden Haende.
Nein. Nein, ich habe es nicht kommen sehen. In der Früh habe ich dir noch gesagt, du sollst auf dich aufpassen, wie immer. Und du hast gegrinst und gesagt, ich solle auch auf mich achtgeben. Wie immer. Wieso konntest du dann nicht wie immer heimkommen?
Ich will weder Trauerbekundungen noch Mitleid. Ich will keine Blumen, keine Spende.
Nur dich, wieder bei mir.
Die Entfernung zwischen uns, die keine Brücke überwinden kann, die Stille zwischen uns, die kein Telefon oder Brief unterbrechen kann, ist unerträglich. Ich liebe dich. Habe ich dir das oft genug gesagt? Diese Mauer zwischen uns, dieser Wall zwischen dem Hier und dem Jenseits halte ich nicht mehr aus. Nein, ich will keine Waende.
Die Trauer, die Tränen, die Verzweiflung und Verbitterung, die Trauerkarten in meinem Postfach von Verwandten, deren Namen ich mich nicht einmal entsinnen konnte. Es nahm kein Ende.
Wofür versuche ich mich auf die Beine zu hieven und weiterzulaufen? Es hat keinen Sinn. Der Lauf des Lebens war mir nicht Freund. Also gebe ich auf, verlasse die Laufbahn. Dazu braucht es keine Autos. Eile den Weg zu dir, wo du in den Zuschauertribünen sitzt und auf mich herabsiehst. Damit wir uns wieder in die Arme schließen können. Für immer.
Das ist ein Ende. Ganz simpel.
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