Sonntagabends
Zuerst das Blau der Tagesschau, dann das Weiß-Blau des Tatorts, ein beiges Sakko und ein grüner Parka. Ich schalte um.
Das Rot der Malaria in den Augen gerissener Edelsteinhändler, die dreckige kleine Rubine in Brusttaschen mit roten Seidentüchern verschwinden lassen und dabei ihr blutendes, verfaultes Zahnfleisch zeigen. Drumherum der satt grüne Urwald. Ich schalte um. Ein dunkler Keks knackt in meinem Mund.
Rot auch die Backen der routinierten Heizer, die schmutzig schwarze Kohle in glühend weiße Öfen schippen, während an Deck wohlgenährte Herrschaften in weißen Smokings vor einer bunten Bühne dinieren.
Bin ich schon müde? Irgendwo bellt ein Hund.
Ich gucke raus. Zwei Blocks weiter klettern Aktivisten einen Kran hinauf und befestigen ein weißes Plakat mit der Aufschrift: „Gentrifizierung bedeutet Tod“ Sie zünden Molotov-Cocktails an und werfen sie auf die Baustelle, es lodert kurz auf. Ich mache den Fernseher aus. Unter mir schreit ein Kind.
In meinem Zimmer angekommen, sehe ich auf der Straße eine große Gruppe von Sportlern, die aus einem Bus steigen. Das gelbe Licht der Straßenlaterne lässt ihre leuchtend grünen Jacken recht fahl aussehen. Ich höre lautes Lachen und das energische Hupen eines vorbei fahrenden Autos.
Ich sehe in den Spiegel. Die einsame Ratlosigkeit schaut mir entgegen. Nach einer Zeit mache ich das Fenster auf, der frische Duft von regengeschwängerter Luft weht mir entgegen, ich trete zurück an den Spiegel, eine Feuerwehrsirene tönt auf der Straße und mein Zimmer wird mit flackerndem Blau geflutet.
Plötzlich sehe ich im Spiegel etwas sich bewegen. Hinten an meinem Fenster beginnt eine Jeans langsam hinaus zu klettern. Ich sehe genauer hin. Es ist meine Jeans und mein grauer Pulli, die gerade im Begriff sind, aus meinem Fenster in den nächsten Baum zu springen. Die Straßenbahn fährt vorbei und die Schienen quietschen entsetzlich.
So sehe ich mich, wie ich über den gelben Lichtschweifen der Taxis hinweg von Straßenlaterne zu Straßenlaterne hüpfe, ich schwinge mich an Tramleitungen immer weiter durch die Straße. Die bunten Reklameleuchten der Hotels weisen mir den Weg. Ich erreiche die Baustelle, ich gleite durch die Löschwasserpfützen, schwinge mit der Abrissbirne auf das nächste Dach, dann bin ich weg.
Und so sehe ich mir noch lange nach, wie ich durch die Nacht schwebe und alles ist ganz still.
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