Sorry aber: Kopf über Hals
“Abgabe in 1 ½ Stunden, ab jetzt. ”
Der Nachklang der so scharf gesprochenen Worte halt mehrmals in meinem Kopf wieder, hallt so oft und deutlich und laut wieder, da mein Kopf in seiner Leere, oder beinahe schon krisenhaften Ideenlosigkeit, ein sehr guter Resonanzkörper ist. Leer. Nichts. Noch. Der Bogen Papier vor mir scheint schon fast verhöhnend den vielen Platz für all die von mir erwarteten Worte zu präsentieren, wenngleich ich doch weiß, dieser Quantität nicht gerecht werden zu können. Nicht in dieser Zeit. Fetzende Stifte um mich herum, literarische Schöpfungsakte auf Kommando. Wie? Wieso? Wieso so? Ist es nicht genau die Zeit, die Pause davor, das Nichts, das das Etwas danach in seiner Wirkung so sehr unterstreicht? Weshalb vorauseilen und den Stift Worte schreiben lassen mit Bedeutung, Kontext und Wirkung zu deren Erfassung der Kopf noch nicht einmal die Chance hatte? Weil notwendig. Inzwischen notwendig, weil Zeit zu dieser Zeit Währung ist. Um mitzuhalten, muss überholt werden. Auch sich selbst.
Wie ein Scheidungsanwalt für Schreibwaren empfehle ich weiterhin konsequent meinem Stift sich von dem Blatt Papier auf dem Tisch fernzuhalten. Kein Wort scheint mir gerecht, da ich doch weiß, dass mein Kopf mit der Zeit gewaltigere Konstrukte aufbauen kann und Ausdruck verschafft, den ich in Überstürzung doch nie in diesem Ausmaß zu schaffen vermag. Ich weigere mich meinen Kopf zu degradieren. Ich lasse meinen Kopf nicht hängen.
Über eine Stunde vergeht. Ich warte.
“Dir fällt wirklich gar nichts ein? ” Der Blick des Fragenden trägt so viel Verächtlichkeit in sich, dass seine Augen darin ertrinken.
Einfallen? Natürlich. Inzwischen sind ganze Truppen von abstrakten Assoziationen in meinen Kopf eingefallen, ich werde eher befallen, nein überfallen, und so fällt mir nicht nur ein, sondern auch auf, dass mein Kopf dankbar ist für die Zeit, die er bekommt.
Ich antworte nicht. Ich schaue nur zurück, grinsend.
Oje, die Augen sind jetzt Wasserleichen der Verächtlichkeit, naja, schade drum.
“Zwanzig Minuten noch. ”
Ich schließe die Augen. Mein Kopf hat kapituliert, all den Einflüssen, Verflechtungen und Anspornen nachgegeben. Er hat zu bauen begonnen. Und der Bauplan gefällt mir. Ich öffne die Augen und nehme den Stift.
Jetzt kann ich anfangen.
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