Spaziergang im Regen
Prüfend legte ich den Kopf in den Nacken. Erfreut stellte ich fest, dass es Regen geben würde. Ich liebte den Regen und würde wohl niemals genug von ihm bekommen. Er war nicht nur erfrischend und auf seine Art beruhigend, sondern verlieh der durch Abgase verschmutzten Luft wenigstens eine Spur Reinheit.
Die ersten Wassertropfen lösten sich aus der dichten Wolkendecke, die so schwer aussah, als bräche sie jede Sekunde über den Köpfen aller zusammen. Das Himmelszelt über der Großstadt war dunkelgrau und es regnete Bindfäden, die nicht nur den schmutzigen Asphalt befleckten, sondern auch meine Wangen zärtlich wie weiche Fingerkuppen liebkosten.
Die Menschenmenge um mich herum war zu einem drängelnden Strom eilender Passanten verschwommen, die sich die Milliarden von Tropfen, die wie ein Schwarm ohnmächtiger Kristallfalter auf die Erde herabsegelten, mit ihren Regenschirmen vom Leib hielten. Ein greller Blitz zuckte über das dunkle, sternenlose Firmament, das sich wie ein samtiger schwarzer Schleier über die Millionenmetropole gelegt hatte. Während kurz darauf das dröhnende Geräusch von tiefem, grollendem Donner erklang, ließ ich mich den Bürgersteig entlangtreiben.
Die Lichter der Stadt spiegelten sich in den verglasten Fensterfronten der Wolkenkratzer und brachten sie zum Glitzern und Funkeln. Das Rauschen der passierenden Fahrzeuge auf der stark befahrenen Straße ging im musikalischen Prasseln der schweren Tropfen unter.
Einen Moment verweilte ich, um den atemberaubenden Anblick des belebten Times Square zu genießen. Die blinkende Lichterflut zog mich abermals in ihren Bann und ich genoss das Panorama; die urbane Umgebung Manhattans hatte mich schon immer fasziniert und verzaubert. Nur widerwillig riss ich mich von der fabelhaften Kulisse los.
Inzwischen hatten sich die Tränen, die der Himmel unerbittlich über die Stadt vergoss, unglaublich schnell verdoppelt, wenn nicht verdreifacht, und auch der Wind wurde immer stürmischer und fegender. Bald war durch die dichte Wand aus flüssigem Niederschlag die Skyline Brooklyns wie durch einen sichttrübenden Vorhang auszumachen. Beleuchtete Schiffe schaukelten tanzend auf den sanften blaugrauen Wellen des East River wie Glühwürmchen im Wald. Wie in Trance betrachtete ich begeistert den vollen Mond, der seinen sanften Glanz fröhlich und unbeschwert auf mich herabwarf und mich in seinem milden Licht baden ließ.
Der Wind zerrte an meiner Kleidung, peitschte Regentropfen in mein Gesicht und trieb die Kälte wie ein schneidendes Messer voran. In die Hosenbeine meiner Jeans hatte sich erbarmungslos der Regen gefressen und nun klebte das durchnässte Material an mir wie eine zweite Haut. Die Temperatur war rapide gesunken und mittlerweile fror ich erbärmlich.
Genug für heute, ermahnte ich mich. Mit einem Lächeln auf den Lippen beschloss ich, den Weg nach Hause anzutreten, während Wind und Wetter mit unbarmherziger Härte weiterhin durch die nassen Straßen und Gassen von New York City tobten.
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