Sternschnuppen im Bauch
Seine Hand neben meiner. Die kalte Herbst-Luft bescherte mir Gänsehaut, ein leichter, warmer Wind spielte in den Blättern. Noch vor einem Monat war es undenkbar gewesen, dass zwischen uns jemals wieder Kontakt sein würde, und nun lagen wir hier, mitten in der Nacht, und beobachteten, wie hunderte von Sternschnuppen ihren Weg über den Nachthimmel bestritten. Es war kalt, aber die Freude darüber, einen alten Freund wieder zu haben, löste in mir eine unbekannte Wärme aus.
Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, sah wie ihm die dunklen Haare ins Gesicht fielen und das Mondlicht Schatten auf es warf. Er war derselbe wie vor sechs Jahren, nur etwas anders. Etwas größer, tätowierter und vor allem etwas ernster. Etwas erwachsener. Wir redeten nicht viel, starrten nur in den Himmel. Die Stille zwischen uns war nicht unangenehm, sie wirkte vertraut. Er wirkte vertraut, und das obwohl wir so lange nicht miteinander gesprochen hatten. Früher hätten wir es keinen Tag ausgehalten, ohne miteinander zu reden, wir waren die allerbesten Freunde in der Kindheit. Und jetzt? Wir hatten uns auseinander gelebt. Für uns waren zwei verschiedene Wege vorgesehen, aber diese neuen Wege hatten sich wieder getroffen, sich wieder gekreuzt. Es war nicht wie früher, wir waren keine Freunde mehr. Freunde schleichen sich nicht nachts in den Wald, um die Sternschnuppen zu beobachten. Wir waren allerdings auch nicht mehr so wie früher. Vielleicht waren wir eine neue Art von Freunden. Ich hatte den Abschied allerdings nie verkraftet, er war einfach gegangen an einem Tiefpunkt, und ich hatte ihm nie richtig verziehen. Das Leben geht weiter, es bleibt nicht stehen, nur weil man selbst es tut. Also habe ich weiter gelebt. Ohne ihn.
Eine komisches warmes Gefühl riss mich aus den Gedanken. Sofort war ich wieder im Hier und Jetzt. Mein Blick fiel auf unsere Hände. Er hatte meine Hand in seine genommen. Freunde machten so etwas nicht. Ich spürte seinen Blick und traf ihn mit meinem. Das warme Kribbeln breitete sich in meiner Bauchgegend aus, und ich überlegte schon, was ich gegessen hatte und gegen was ich allergisch war. Aber als es sich vermehrte und mir plötzlich am ganzen Körper warm wurde, zweifelte ich an meiner Allergie-Theorie.
Freunde sollten mir nicht dieses Gefühl geben.
Und wir waren doch Freunde, zumindest waren wir nie etwas anderes als das.
Aber waren wir wirklich Freunde, wenn er so etwas in mir auslösen konnte?
Oder waren wir vielleicht etwas anderes?
Etwas Neues?
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar!
Spendenbegünstigung gemäß § 4a Abs. 4 EStG 1988; Registrierungsnummer KK32646
Weitere Antworten rund um die Spendenabsetzbarkeit für Privatpersonen und Unternehmen
