Strömung
Es ist kalt. Die kühle Winterluft umgibt meine nackte Haut, während das eisige Wasser meine Füße betäubt. Unter dem Mondlicht glänzt das Meer wie als würde es mich rufen. Mit meinem ersten Schritt vorwärts steht meine Entscheidung fest. Mit jedem Fußtritt entferne ich mich mehr von der Küste, meiner Vergangenheit, und gebe meine Zukunft auf. Das Wasser wird tiefer. Meine Füße spüre ich nicht mehr. Zielgenau schreite ich vorwärts, es gibt nun kein zurück mehr. Ich will nicht mehr zurück. Dort gibt es nichts für mich. Es gab nie etwas. Jeder Schritt wird schwerer. Nichts scheint leicht im Leben zu kommen, auch das Ende nicht. Mein Bauch ist halb vom Wasser umgeben, jedoch fühlt es sich nicht mehr kalt an. Mir ist warm. Ich fühle mich geborgen. Das Meer nimmt mich auf so wie ich bin. Es nimmt all meine Sorgen. Ich bleibe kurz stehen, um in die Wärme zu spüren, die mich bis zum Hals umhüllt. Noch nie zuvor habe ich mich so akzeptiert gefühlt. Nur für einen Augenblick schließe ich meine Augen. "Was stehst du so hier so wie eingefroren herum? ", fragt eine weibliche Stimme. Blitzartig öffnen sich meine Augen und ich sehe ein Paar dunkelbraune Augen, die mich verwirrt anschauen. Ich habe diese Person noch nie gesehen, doch in diesem Moment ist ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Sie nimmt einen Schritt zurück und ihre Lippen formen ein Lächeln. "Hat meine Schönheit dir deine Stimme verschlagen", kokettiert sie. Was soll ich dazu sagen? Teilweise hat sie Recht. Sie ist unglaublich schön, jedoch hab ich nicht die geringste Ahnung, wer sie ist. Bis vor kurzem war ich dabei, mein Leben zu beenden, wieso gibt mir dann jetzt diese Frau das gleiche Gefühl wie das Meer. Diese Wärme ist nicht nur Geborgenheit. Sie füllt eine innere Leere, von der ich nie wusste. Sie legt ihre warme Hand auf meine Wange. "Was ist denn los Schatz, es gibt doch keinen Grund jetzt zu Weinen", spricht sie beruhigend, während sie mit ihrer anderen Hand ein Taschentuch nimmt, um mein Gesicht zu trocknen. Ich weiß nicht was passiert, aber will nicht, dass es aufhört. Sie gibt mir ein Gefühl, dass ich nie kannte. Ihre Berührung nimmt all meine Sorgen auf. Das Meer war keine Geborgenheit. Es hat mich nicht akzeptiert. Ich drang mich dem Wasser auf. Diese Person ist es, die mich wohlherzend umarmt und tröstet. Es ist kalt. Mein Körper ist von Wasser umgeben. Was auch immer es war, es ist vorbei. Ich kann diese Kälte nicht ertragen. Ich muss hier so schnell wie möglich raus. Mit all meiner Kraft laufe ich zur Küste. Mein Körper fühlt sich schwer an. Ich kann ihn kaum bewegen. Ich will nicht akzeptieren, dass ich so leicht aufgab. Meine Augen fallen zu, aber ich muss weiter. Mein Ziel ist nicht weit. Mit letzter Kraft setze ich Fuß auf der Küste, mein Körper kann sich aber nicht mehr halten und fällt auf den kalten Sand. Verschwommen sehe ich eine Person panisch auf mich zu laufen. "Sie sieht irgendwie aus wie. . . unmöglich", flüsterte ich, bevor ich in Ohnmacht fiel.
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