Stromsparmodus
Schneeflockenkalte Augenblicke im September.
Gestern noch Sommerwind und salzige Lippen, heute schmierst du andauernd Labello nach, weil deine trocken und rissig von der kalten Luft geworden sind.
Deine Augen sind schwer und in deinem Kopf herrscht der Nebel, der sich normalerweise erst im Spätherbst heranschleicht, um sich wie eine sanfte Taubheit über die Welt zu legen, um sie auf die stechende Kälte des Winters vorzubereiten. Wie eine Narkose der Natur.
Du sitzt auf der Couch, eingewickelt in eine Wolldecke, weil du die Heizung noch nicht aufgedreht hast. Die Übergangsjacke liegt auch noch im Keller.
Ein lautes, penetrantes Klingeln durchbricht die Stille. By the sea. Der iPhone-Klingelton, der mit aufgesetzter Fröhlichkeit versucht, den Sommer einzufangen. Vor zwei Wochen hat er dir noch gefallen.
Du hebst nicht ab, wartest, bis das Klingeln aufhört. Wirfst einen Blick auf das aufleuchtende Display.
Stromsparmodus, ein verpasster Anruf.
Du willst schlafen. Nur schlafen. Eine Fliege surrt dir um die Ohren, landet auf dem Teller mit den Essensresten von gestern. Das wirst du noch wegräumen, sagst du dir. Vielleicht nicht heute. Aber morgen.
Heute bist du im Stromsparmodus.
Du greifst nach der Bierflasche, merkst, dass es die leere ist, greifst nach der danebenstehenden. Dank der Zimmertemperatur ist die Flüssigkeit immer noch kühl. Sie schmeckt ein bisschen schal. Aber vertraut.
Du stellst die Flasche zurück auf den Boden, zwischen getragenen Socken und dem verschwitzten Nachthemd von vor einer Woche, das du eigentlich waschen wolltest.
Wann ist dir Ordnung eigentlich so egal geworden?
Kurz fragst du dich, seit wann es so still in Timmys Hamsterkäfig geworden ist und ob es Timmy wohl gut geht.
Aber selbst dieser Gedanke entgleitet dir rasch, so schwer wie wie deine Augenlider werden und wie gut es sich anfühlt, die Augen zu schließen und die Welt nicht mehr zu sehen.
Vielleicht hält Timmy einfach Winterschlaf.
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