Subliminal
1∞
Grau in Grau. Aber nicht das Grau, das man an Tauben oder Steinen findet. Nein. Mehr ein unorganischer Farbton, der dich einkesselt. In der tiefen Schwärze einer wolkenverhangenen Novembernacht. Du kannst deinen Atem sehen. Es regnet. Am makellosen Betonboden, gibt es keine Möglichkeit für den Regen abzufließen. Deine Kleidung ist schon längst eins mit dir geworden. Du läufst weiter in dieselbe Richtung, vorbei an den massiven Bauten, die wie schlafende Riesen hoch über deinem Kopf thronen. Bereit dazu, jederzeit zu erwachen und dich, mit einem Fußtritt zu zerdrücken. Nein, nein, die Klötze sind fest in ihrem Fundament verankert, sagst du dir. Fühlst dich dabei aber immer mehr wie eine Fliege, über der eine Klatsche hängt. Die Lichter hinter den Fenstern sind erloschen, flimmernde Laternen weisen dir spärlich den Weg. Dann holt dich mit einem Schlag das Pendel ein.
2∞
Einige kleine Erker weiten den Raum, andere engen ihn ein. Der Plafond hat unterschiedlich hohe Ausbuchtungen, die stehengebliebene Rolltreppe führt bis an eine solche und endet dort. Es riecht nach Popcorn. Dieses liegt in unregelmäßigen Abständen zusammen mit Chips und Süßes auf dem blau-violetten Teppichboden, der mit Planetenmustern gespickt ist. Die Erkerbuchten sind mit Sofas oder eingeschalteten Arcade- Automaten zugestellt. Die fröhliche 8-bit Musik hallt bis zu dir, übertönt von den summenden Neonröhren an der Decke, die für eine diffuse Lichtstimmung sorgen. Die Filmposter an der Wand wurden mit schwarzem Edding übermalt. An der Decke schwebt ein einzelner lila Luftballon. Wieder gehst du ein paar Schritte. Überall sind weitere nummerierte Saaltüren, Erker, Ausbuchtungen, Sofas und Arcade-Maschinen. Dann wirst du vom Stundenzeiger erneut fortgerissen, der eine Stunde weiter gerückt ist.
3∞
Es ist wieder Nacht. Diesmal zieht sie an dir vorbei. Getrennt nur durch eine dicke Scheibe. Du und die Nacht. Mühselig erhebst du dich von deinem Sitz. Wackelig von dem langen Sitzen stehst du am Mittelgang, überzeugt, dass du in diesem Abteil alleine bist. Dennoch gehst du penibel jede Reihe ab, kannst jedoch außer einem aufgeschlitzten Sitz und mehreren abgeblätterten Graffitis auf einigen Rückenlehnen nichts entdecken. Du öffnest die Türe zum nächsten Abteil, um die gleiche Leere festzustellen. Alles ist ident: Die Sitze, die Schlitze darin und die Graffitisymbole an den Lehnen. Lediglich die flackernde Beleuchtung ist für dich neu. So kämpfst du dich unter ruckeligem Boden weitere gleich aussehende Abteile nach vorne, das Flackern wird intensiver. Bis du plötzlich an einer Türe angelangst, die du als Zugang zum Schaffnerhäuschen ausmachen kannst. Beschriftet ist sie mit schwarzem Stift: “Dead End”. Vorsichtig drückst du die Klinke, die Türe öffnet sich zu deinem Überraschen problemlos. Ehe du einen Blick ins Innere werfen kannst, fällt die Beleuchtung komplett aus und ein Glockenschlag empfängt dich. Die Zeit war schneller als du.
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