Symptom, Diagnose, Ausfall
Ich bewege mich nicht: ich funktioniere, ich werde bewegt, von einem Draußen, von Räumen, die nicht mich meinen, nicht mich wollen, und doch schluckt mich jeder Türrahmen, jede Wand. Ich durchquere systematisierte Verwahrlosung, fein säuberlich verpackte Verachtung. Ersticken darf man hier, aber bitte im Takt.
Ich sehe nur, was nicht gezeigt wird. Ich höre nur, was nicht gesagt wird. Die untersten Schichten der Welt sprechen so mit mir.
Die Welt ist
Wort zu Lärm zu Müll. Ich bewohne nichts. Ich bin in keiner Wohnung, ich wohne nicht, ich hausiere. Ich bin verwahrt. Und wenn ich schlafe, werde ich taktiert. Ich bin kein Subjekt dieses Schlafes, ich bin der Beweis seines Scheiterns.
Sogar der Schlaf, immer im Takt.
Heute – dieses Wort! – heute ein Klassenzimmer. Ein Kadaver, keine Menschen, aber ihre Träume, also: ihre Reste. Stimmen, kein Stuhl besetzt, kein Platz für mich. Die Abwesenheit hat Platz genommen, sich eingerichtet, das ist ihre Taktik.
Der Aufzug, dieser Idiot, bringt mich dorthin, wo ich nichts verloren haben wollte. Doch natürlich habe ich dort etwas gelassen. Einen Namen, eine Idee, einen dieser Blicke, von dem niemand weiß, was sie bedeuten, einen Schrei vielleicht. Der Idiot hält, ich halte nie. Takt, Takt, Takt.
Ich treffe Leute, sagt man. Ich nenne sie Erscheinungen. Eine Frau, so durchsichtig, dass man sie mit dem gelben Licht verwechseln könnte. Ein Mann, der sammelt – Kadaver, ausgebissene Zähne, Träume, also: Reste. Und ein Mädchen, das mich nicht ansieht, weil sie die Welt schon gesehen hat und beschlossen hat, dass es reicht.
Denn die Welt ist
Ich antworte nicht. Ich bin der Nebel zwischen Frage und Antwort. Das System summt, es rauscht (ich nenne es Weltrauschen), es produziert Geräusche wie Arbeiter wie Geld. Die Geräusche sind der Auftakt. Ich bin umgeben von Maschinen, die glauben, sie seien Menschen.
Farben taktieren mich, sie haben sich gegen mich verschworen. Blau ist Strafe, als Festakt inszeniert, grün die Farbe der Betäubung, rosé ein Witz auf der Leinwand. Weiß: Eine Schneedecke über allem, was sich windet, in den untersten Schichten.
Die Welt ist
Ich lese die Welt wie man Schmierzettel liest. Einer über dem anderen, und nie gelöscht. Unter jedem Wort liegt ein unausgesprochenes, unter jedem Lächeln: ein Zahn. Unter jedem Händedruck: das Versprechen. Bald. Bald. Bald.
Bald sei ich angekommen. Bald sei ich kuriert. Dabei bin ich nicht krank, ich bin nur nicht intakt.
Die Welt ist weiß.
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