Tag: weiß ich nicht mehr
Tag: weiß ich nicht mehr. 73 vielleicht. Eigentlich auch egal. Triggerwarnung: ich spreche ohne Hemmungen über Menstruation(sbeschwerden). Ich hatte mir vorgenommen, jeden Tag in den Sommerferien eine Art Tagebuch zu schreiben. Nicht von der Sorte Mein liebes Tagebuch, heute war ein schöner Tag, weil. . . . Nein, einfach jeden Tag ein paar Stichworte, was ich gemacht und nichtgemacht habe. Nur leider hörte das nach drei Tagen auf. Und diese drei Tage habe ich mich nur darüber aufgeregt, dass ich am ersten Tag eines sieben Tage Kletter-Camps meine Tage bekam. Ich habe versucht, einem Buch voll unbeschriebener
Seiten zu erklären, wie beschissen Entschuldigung anders kann man es nicht ausdrücken, es ist, die Periode beim Klettern zu haben. (Ein paar Wochen später kam ich zu der Erkenntnis, dass es noch beschissener ist, wenn man gerade in einem Hotel im Service arbeitet, aber das ist nicht relevant. ) Es ist selbsterklärend, dass es wirklich nicht toll ist, einmal im Monat 4-7 Tage zu bluten, nur während man den ganzen Tag, das heißt, von 7: 30-17: 30 irgendwo
in den Bergen in der Nähe von Innsbruck ist. Die Besitzer der Berghütte halten es nämlich für superschlau, Frühstück nur von 5: 45-6: 45 Uhr anzubieten und da wird auch für eine Gruppe bemitleidenswerter Jugendlicher, die das alles eigentlich freiwillig machen, keine Ausnahme gemacht. Also: 6: 30 völlig übermüdet aufstehen, im Pyjama frühstücken, Jause herrichten, 18 Uhr Abendessen. In der Zeit zwischen Frühstück und Abendessen hing ich entweder 30m
über dem Boden in irgendeiner Felswand von irgendeinem Berg, oder wurde gezwungen 4 Stunden auf irgendeinen Berg irgendwie ohne zu krepieren hinaufzugehen und zu hoffen, dass die Kombination aus einem Tampon in der Größe super Plus und einer windelähnlichen Binde auslaufsicher ist.
Warum genau bin ich jetzt so sehr vom eigentlichen Thema abgedriftet? Auch egal. Jedenfalls dachte sich mein viel zu naives Hirn vor acht Wochen, es sei eine grandiose Idee, wenn ich jeden Tag in den Sommerferien, das sind ja schließlich nur neun Wochen ein bis zwei Sätze aufschreiben würde, dass ich, wenn ich dieses besagte Buch dann in sechzig Jahren auf einem komplett verstaubten Dachboden wieder fände, an meine ach so spannende und ereignisreiche Jugend zurückdenken und mich in literweise Selbstmitleid baden könnte.
- Falsch gedacht. Bis Tag drei bin ich gekommen. Weiter aber dann auch wieder nicht. Vielleicht landet dieser Text mit etwas Pech (oder Glück) ja auf einem völlig verstaubten Dachboden. Dann würde dieses „an meine tolle Jugend Zurückdenken und mich in literweise Selbstmitleid und Erinnerungen baden“ auch ganz ohne Ferientagebuch blendend funktionieren. Das ist er also: Der Zauber der Zukunft: Man weiß nie, was einen erwartet. Warum sollte es einem beschriebenem Blatt Papier auch anders als einem Buch voll unbeschriebener Seiten gehen, geschweige denn anders als einem Menschen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX