Tagebucheintrag einer 16-Jährigen
Liebes Tagebuch,
vor ein paar Tagen hat unsere Klassenlehrerin im Fach Deutsch meine Mitschüler und mich aufgefordert, uns Gedanken über das Thema Mut zu machen. Ich habe also einen Stift genommen und auf das leere Blatt gestarrt. Was ist Mut für mich? Ich habe nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es Mut in so vielen verschiedenen Variationen gibt.
Mut ist für mich, für andere einzutreten: Das zu sagen, was jeder denkt, aber keiner auszusprechen traut; die Wahrheit zu sagen. Aber auch Fragen zu stellen, die in der Klasse zu Lachern führen; die Angst sich zu blamieren, zu Seite zu schieben. Mut ist für mich aber auch, manchmal die Wahrheit zu verschweigen, wenn es die Situation verlangt. Es ist nicht mutig, die Fehler eines Freundes zu verraten, sondern, diesen dennoch zu unterstützen und dessen Fehler auszubügeln.
Mut ist für mich, den berühmten Funken Hoffnung bis zuletzt zu wahren, nicht aufzugeben. Auch in den dunkelsten Zeiten optimistisch zu bleiben und mit anderen Menschen diese Hoffnung zu teilen.
Mut ist für mich, die fremden Federn den Fremden zu überlassen, aber auch sich selbst nicht zu vergessen. Also genau das zu tun, was man tun will, derjenige zu sein, der man sein will oder der man ist. . . Ich bin mir sicher, dass es Berge von Mut benötigt, für sich selbst einzustehen, zu sich selbst zu stehen: Die Regenbogenfahne zu schwingen, obwohl die Eltern das nicht gutheißen werden.
Mut ist für mich, ohne zu wissen, welche Steine auf einen
warten, in ein fremdes Land aufzubrechen, nur mit einem kleinen Rucksack und seinen Gedanken. Sich nicht dafür zu entschließen, an Terrorakten teilzunehmen, um Menschenleben vor einem selbst zu bewahren, um dafür den harten Weg der Flucht in Kauf zu nehmen. Mit dem klar zu kommen, das das Leben für einen bereit hält und manchmal auch ein Risiko einzugehen.
Und ich glaube, eine zusätzliche Portion Mut schadet keinem Menschen. Könnte ich mich jetzt an andere Leute richten, würde ich ihnen sagen, dass sie heute
mal mutig sein sollen: Sie sollen das tun, was schon lange in ihren Köpfen umherschwirrt, Fragen aussprechen, ohne sich vor der Reaktion zu fürchten oder auch einfach mal sich selbst den Vortritt zu lassen.
Bis zum nächsten Mal,
Marie
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