Tagtäglich
Jung, hübsch, intelligent, neugierig, hoffnungsvoll, … All das sind Eigenschaften, die man Audre zuschreiben könnte. Sie hat gute Noten und würde niemandem etwas Böses wollen.
Sie hat Wünsche, Ziele und eine wundervolle Familie die sie dabei unterstützt.
Freunde hat sie jedoch keine. Dafür gibt sie dieser Stimme die Schuld.
Diese immer lauter werdenden Stimme in Audres Kopf, die ihr alles verbietet. Es ist falsch, was Audre macht. Alles, was sie macht. Das wurde ihr eingeredet von der Stimme.
Sie redet nicht.
- Du bist langweilig.
Sie redet.
- Du bist nervtötend.
Sie verlässt ihr Zimmer.
- Jeder starrt dich an, jeder verurteilt dich.
Unsicher, ängstlich, schnell überfordert, bedrückt, … Auch das sind Eigenschaften, die man Audre zuschreiben könnte.
Sie hat schon lange nichts mehr gesagt, nichts mehr gegessen.
- Du sollst schließlich kein Gewicht zunehmen, das ist falsch.
Geh, bitte. Die Stimme soll sie ein für alle Mal verlassen, doch sie wird nur noch lauter.
- Verletze dich.
- Niemand braucht dich.
Doch Audre ist stark, sie gibt nicht auf.
Sie hat Hoffnung.
„Na, Kleine. Was machst du denn so spät am Abend noch draußen? Soll ich dich nach Hause fahren?“
„Geh, bitte.“, flüstert sie zitternd.
Doch der Mann weicht nicht. Er grinst nur.
Die Angst verteilt sich wie ein Schauer in ihrem Körper. Ihr Hals zieht sich zu, als würden Schnüre sie erdrosseln. Ihre Knie fühlen sich an wie Schaumgummi, und Gänsehaut verbreitet sich über ihrem Rücken.
„Geh bitte! Stell‘ dich nicht so an. Ich bin ein netter Kerl, vertrau‘ mir.“
- Geh mit! Dich braucht sowieso niemand. Geh mit!
Sie will rennen, doch es ist, als hätte ihre Seele ihren Körper verlassen, als wäre sie eingefroren. Die Angst heftet ihre Schuhsolen fest an den Boden und sie nimmt nur noch die Schweißperlen wahr, die sich auf ihrer Stirn bilden.
In einem dunklen, engen Raum wacht sie auf, Blut überall. Sie versucht sich daran zu erinnern, wie sie hier gelandet ist, doch es ist, als hätte man ihre Erinnerungen ausgelöscht.
Alles schmerzt, mit jeder Sekunde wird es schlimmer.
Sie schreit, wird jedoch nicht gehört.
Das Blut bedeckt schon fast den ganzen Boden, das schäbige Holz fast nicht mehr erkennbar. Ihr Herz pocht immer langsamer und unregelmäßiger, bis es plötzlich nicht mehr pocht. Das wird es auch nie wieder.
Ob das morgige Opfer entkommen wird?
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