Tankwart Kasparek
Ein plötzlicher Schauer hatte die Freiluftausstellung verregnet und da er auch sonst wenig zu tun hatte, setzte er sich in seinen geliebten Opel Kadett, legte etwas Stimmungsmusik ein und beschloss in einem Augenblick der Spontanität, zur Zahnaufhellung nach Ungarn zu fahren.
Seine Zähne waren recht weiß, nicht strahlend weiß, eventuell cremeweiß. Man hatte ihn bis dato auch noch nicht auf die Weiße seiner Zähne angesprochen, doch weiße Zähne waren ihm ein Anliegen. Körperpflege ist schließlich ein Prinzip.
Nachdem er um kurz nach zwei die Grenze passiert hatte, bemerkte er, dass sein geliebter Kadett dringend Sprit brauchte. Er überflog an einer Ausfahrt seiner Wahl rasch die ausgeschilderten Geschäfte und entdeckte zwischen drei Zahnkliniken eine Tankstelle.
Er wusste nicht viel über Ungarn, war kein Weltenbummler, nur einfacher Angestellter. Aber dass man in Ungarn billig tanken kann, das wusste auch er. Er rollte bei Säule neun ein.
Der Tankwart Kasparek, Besitzer der Tankstelle, stellte sich ihm freundlich vor und die beiden begannen einen Schwatz. Nach einem intensiven Diskurs über Freiluftausstellungen und bleifreies Benzin kam der Tankwart zu einem höflichen Fazit.
„Als Tankwart trifft man immer die interessantesten Leute.“
Er aß noch mit Kasparek, trank ein Glas Wein, rauchte einen Zigarillo. Kasparek wusste viel über Musik und alte Filmklassiker, das sagte ihm sehr zu. Er wusste viel über Dean Martin.
Durch das Tanken seinen Vorrat Forint aufgebraucht, machte er nach einer Fahrstunde in einem kleinen Einkaufszentrum mit angrenzendem Erotikcenter Halt, um Geld zu wechseln. Er war gerade im Begriff, eine muffige Wechselstube zu betreten, als ihm ein älterer Herr im Pelzmantel unaufgefordert mit einer Kartongrafik die Wechselraten erklärte.
Er war kein Finanzexperte, kein Börsenversteher, kannte auch den Mann nicht. Er tauschte dennoch viel Geld, mehr als er benötigte, der Kurs erschien ihm günstig. Die übrigen 15 Millionen Forint wollte er für harte Zeiten anlegen.
Nachdem er sein gesamtes Barvermögen in Landeswährung gewechselt hatte, wurde es rasch dunkel und er setzte seine Reise mittels Sternennavigation fort. Nach drei Tagen Odyssee zwischen Sopron und Debrecen verlor sein geliebter Kadett einen Seitenspiegel, nach einer Woche riss der Keilriemen. In einem Augenblick der Verzweiflung rollte er an einem Verkaufsobjekt vorbei.
Er war schon recht müde, wollte zur Ruhe kommen, nicht mehr reisen. Er kaufte für 13 Millionen Forint eine Tankstelle, sie sagte ihm schon ob ihrer gepflegten Erscheinung zu. So wurde er Tankwart.
Oft sitzt er vor Säule neun und schwätzt mit Kunden über Musik oder Filmklassiker. Gelegentlich lädt er sie zu Zigarillos ein, isst mit ihnen, redet über Dean Martin. Und stets kommt er zu einem höflichen Fazit.
„Als Tankwart trifft man immer die interessantesten Leute.“
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