Tempo? Nicht mit mir!
„Schneller!“, ruft meine Freundin Lena, als wir zur Schule radeln. Ich strample, meine Beine brennen, aber sie ist schon um die Ecke verschwunden. Immer muss alles schnell gehen: aufstehen, frühstücken, lernen, Hausübungen machen. Und wenn du mal langsam bist? Dann heißt es: „Komm schon, du bist zu langsam.“
In der großen Pause sitze ich auf der Bank im Schulhof. Alle spielen mit ihren Handys oder rennen über den Hof. Ich schaue hinauf in den Himmel. Eine Wolke sieht aus wie ein Hund. Ich muss lächeln. Endlich mal nichts tun, einfach nur schauen und atmen. Das fühlt sich gut an.
Im Unterricht sagt der Lehrer: „Wir sind im Stoff hinten! Tempo, Leute.“ Ich versuche mitzuschreiben, aber meine Gedanken wandern ab. Was, wenn ich das Thema nicht gleich verstehe? Muss ich mich dann schlecht fühlen? Ich glaube nicht.
Nach der Schule geht’s gleich weiter: Mittagessen, schnell alle Hausübungen machen, für die Mathe-Schularbeit lernen und dann noch duschen. Ich hetze von einem Punkt zum nächsten, wie ein Hamster im Rad. Und dabei frage ich mich: Wann darf ich eigentlich mal einfach nur stehen bleiben.
Am Abend sitze ich mit meiner kleinen Schwester im Zimmer. Sie zeigt mir ein Bild, das sie gezeichnet hat – es ist eine Schnecke. „Das ist aber süß“, sage ich. „Die Schnecke ist langsam, aber sie kommt trotzdem ans Ziel.“ Ich lächle. Vielleicht ist sie klüger, als wir alle denken.
Später ruft meine Mutter: „Wir müssen los, der Zahnarzt wartet!“ Ich atme tief aus „Tempo, Tempo!“, sagt sie. Ich packe meine Tasche – aber langsam. Meine Mutter fragt mich „Warum packst du so langsam?“ „Ich mache es in meinem Tempo“, sage ich.
Am nächsten Tag radle ich wieder mit meiner Freundin Lena zur Schule – aber diesmal bin ich schneller. Nur weil ich Lust darauf habe.
Tempo? Nicht immer, nur wenn ich will.
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