Tempo – Philosophische Texte
Text 1
Sie schimpfen mit mir, weil ich immer zu spät komme.
Aber wie soll ich ihnen erklären, dass ich nicht im Takt der Uhr gehe, sondern im Takt meiner Gedanken?
Jede Verspätung wird als Faulheit dargestellt, doch manchmal bedeutet eine Verspätung einfach nur, dass ich mir die Zeit genommen habe, ganz anzukommen.
Die Welt misst Minuten, aber mein Herz misst Momente.
Was wäre, wenn Verspätung kein Versagen wäre, sondern eine Weigerung, der Dringlichkeit die Bedeutung meiner Schritte zu überlassen?
Manchmal ist Verspätung keine Nachlässigkeit.
Ich bewege mich, wenn meine Seele sich bewegt – im Tempo meines Herzens.
Text 2
Sie sagen mir: „Beeil dich", als ob das Badezimmer, auf dem ich sitze, mein Thron, nur ein Raum und kein Zufluchtsort meiner Gedanken wäre.
Doch jede Minute dehnt sich. Die Welt draußen wartet, aber ich bin der König der Stille, des Tempos und der Selbstbeobachtung.
Entscheidungen werden getroffen. Pläne werden geschmiedet. Das Leben ist angehalten. Was wäre, wenn stundenlanges Sitzen auf dem Badezimmerthron kein Aufschieben, sondern Meditation wäre? Vielleicht beginnt Größe dort, wo sich sonst niemand hinsetzt.
Text 3
Sie fragten mich, ob ich Sie vermisse. Natürlich tue ich das. Du kannst nicht einfach jemanden aus deinen Gedanken löschen, der sich einmal wie Zuhause angefühlt hat.
Doch Vermissen ist keine Schwäche. Es ist der Beweis, dass tief verliebt sein und Liebe echt war – auch wenn sie nicht gehalten hat.
Deswegen ließ ich sie los. Nicht, weil sie mir wenig bedeutete, sondern weil auch ich etwas bedeute. Das ist die Konsequenz der schnellen Liebe, des schnellen Tempos des Herzens.
Text 4
Tempo ist viel mehr als nur Geschwindigkeit. Es ist der Rhythmus, in dem wir unser Leben führen. Viele Menschen wollen alles schnell erledigen – die Schule, die Arbeit oder auch Beziehungen. Sie glauben, dass sie dadurch mehr erleben können.
Doch ein schnelles Tempo kann auch sehr gefährlich sein. Wenn man nur rennt, verpasst man oft die kleinen Dinge im Leben, die es so schön mcchen.
Liebe ist das beste Beispiel dafür. Man kann sie nicht erzwingen oder beschleunigen. Sie braucht Zeit und Geduld, um zu wachsen, zu blühen – wie eine Pflanze. Wenn man versucht, Liebe zu schnell zu leben, verliert sie oft ihre Tiefe und Schönheit. Ein Gespräch oder ein Lächeln entfalten ihre Bedeutung nur, wenn man ihnen Zeit und Raum gibt. Ein zu langsames Tempo kann jedoch auch ein Problem sein. Wer immer zögert und wartet, verpasst vielleicht Chancen. Liebe verlangt manchmal Mut, den richtigen Moment zu ergreifen. Tempo bedeutet also, das richtige Maß zu finden – nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam, sondern so, dass das Herz im Einklang mit dem Verstand schlägt.
Am Ende ist Tempo nicht nur eine Frage von Sekunden oder Minuten, sondern des Bewusstseins. Wer sein Leben bewusst lebt, wird merken, dass Liebe und Zeit keine Gegner sind, sondern Partner. Partner, die denselben Rhythmus finden müssen. Das richtige Tempo lässt uns daher beides genießen.
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