Tempo- wenn die Zeit dein größter Feind ist.
Feldkirch, 15. Oktober 2025, 07: 25
„Mist, ich komme zu spät!“, denke ich entsetzt, als ich auf meine Uhr schaue. Den Kaffee lasse ich stehen, greife nach Schlüsseln und dem viel zu schweren Rucksack.
08: 10 – Zehn Minuten zu spät.
„Du bist zu spät“, sagt eine Frau, knapp über 30, die sich wohl jünger kleidet. „Ich weiß, ich hatte keine Zeit…“, stammle ich. Es ist eh egal – pünktlich oder nicht, ich werde wieder fertiggemacht. Den Lehrern und meinen Eltern ist mein Mobbing egal. Zuhause ist nie jemand, in der Schule zählt nur Leistung.
„Fräulein Gädeke?“ – die Stimme der Lehrerin reißt mich aus meinen Gedanken. „Shit, was hat die gesagt?“ Gekicher. Alltag. Ich bin das Mädchen mit den Augenringen, das unterdurchschnittliche Noten schreibt, lange Kleidung trägt und kaum schläft.
„Also beteiligst du dich wieder nicht am Unterricht? War ja klar…“, murmelt sie, lächelt den Streber aus der ersten Reihe an, der die Antwort weiß. Eigentlich hätten wir alle dieselben Chancen – wenn Lehrer keine Lieblingsschüler hätten. Viele schreiben 1er, ich 5er. Sie haben Eltern, die da sind. Ich habe Haushalt und keine Zeit.
Warum haben manche Menschen Zeit und andere nicht? Warum stopfen wir sie mit Tätigkeiten voll? Leben wir – oder überleben wir? Vertreiben wir Zeit bis zum Ende, statt sie zu genießen? Die Erde dreht sich weiter, egal, ob ich eine 5 schreibe.
14: 30
Schule ist aus. Ich sehe Menschen: einen Mann mit Aktenkoffer, telefonierend. Eine alte Dame mit Rollator. „Sie war auch mal jung. Vielleicht haben ihre Enkel keine Zeit, sie zu besuchen.“
Mein Handy vibriert:
„Du Opfer haha du siehst so behindert hässlich aus zieh dir mal was Normales an!“
Sie hätte sich mehr Mühe geben können – auch bei der Rechtschreibung. Aber ich verschwende keine Lebenszeit damit, anderen zu gefallen. Ich lebe nur einmal. Vor Monaten stand das noch auf meiner Liste „Gründe zum Sterben“. Jetzt will ich leben. Nicht überleben.
Die zweite Nachricht:
„Ey wir haben schon lange nicht mehr geredet. Ich weiß, ich war damals echt scheiße zu dir, aber ich schwöre…“
Weiter lese ich nicht. Ich verschwende keine Zeit mehr an Menschen, die sie nicht schätzen. Ein Buch zwei Mal zu lesen ändert nicht das Ende.
Zeit ist kostbar. Du kannst sie nicht stoppen, verlangsamen oder vorspulen. Sie ist immer da. Du entscheidest, was du damit machst. Mach was Gutes draus! Du lebst nur einmal.
17: 40
Ich saß fast 3 Stunden an diesem Text und hoffe, dass er vielleicht jemandem die Augen öffnet.
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