Timeline
Start!
Ich rannte sofort los, doch schnell wandelte sich der nachklingende Ruf, der den Start angekündigt hatte, in einen gequälten Schrei um und ich spürte einen Schmerz, der nicht meiner sein konnte. Helles Licht blendete mich, sodass ich blinzeln musste und ich blieb stehen. Zwischendurch erschienen Bilder von einem kleinen Baby vor meinen Augen das verdutzt umherschaute, wohl unsicher was es von dessen neuer Welt halten sollte. Mit voller Energie und keiner Zeit über das Gesehene nachzudenken, rannte ich weiter, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Langsam machte sich ein komisches Gefühl breit. Als ob ich mit jedem großen Schritt, den ich machte, minimal wachsen würde. War es Einbildung oder hatte es etwas mit den erneut erscheinenden Szenen zu tun? Ein Kleinkind, das seine ersten Wörter sprach und seine ersten Schritte tat. Ich versuchte vor den Bildern wegzulaufen, aber das Einzige, was ich dadurch erzielte, war, dass die Erscheinungen mit mir schneller wurden. Bald erschienen Bilder von Volkschule und Gymnasium. Trotzdem verging Tag für Tag vor meinen Augen und ich bekam jede einzelne Sekunde, Minute und Stunde mit. Ich rannte immer schneller. Ich spürte Schularbeitenstress, Druck gut auszusehen und das Richtige zu machen, Nervosität wegen meines ersten Dates, doch ich rannte weiter und die Szenen mit mir. Gerade noch konnte ich den Maturaball von dem mittlerweile fast erwachsenen Teenager sehen, viele harte Lernphasen, die es hoffentlich wert waren, ich es aber nie erfahren würde, weil die Martura kam und ging, ohne dass ich einen Blick auf das Ergebnis erhaschen konnte. Partys, Alkohol, darauffolgende Kater, Reisen und dann Uni. Ein Leben flog an mir vorbei, doch wollte ich überhaupt daran teilhaben? Warum sollte ich mich in etwas Fremdes reinsteigern? Ich wollte nicht darüber nachdenken, also rannte ich noch ein bisschen schneller. Lernen, arbeiten, zwischendurch essen und dann wieder lernen. Alles wurde so schnell und ich versuchte, auf die Strecke vor mir zu achten. Schlafen, arbeiten, essen, arbeiten, schlafen, …es wiederholte sich. Tag für Tag verging, ich rannte schneller. Essen, arbeiten, schlafen, Hochzeit! Überrascht wurde ich langsamer. Durch das viele schnelle Laufen hatte ich Seitenstechen bekommen. Einatmen, ausatmen. Dann ging es weiter, zuerst langsamer, bald schon wieder schneller. Reisen, Partys, schlafen, umziehen, arbeiten, schlafen, Schwangerschaft, Geburt, der gleiche Schmerz wie zuvor durchdrang mich. Dann wieder: Baby, schlafen, arbeiten, essen, schlafen. Ich wollte dem nicht mehr zuschauen. Abrupt blieb ich stehen, schloss meine Augen und ohne nochmal drüber nachzudenken, rannte ich wieder los so schnell ich konnte. Doch je länger ich lief, desto schwerer wurde es, meine Geschwindigkeit konstant zu halten. Ich wurde immer langsamer. Ich bekam Panik, nicht wissend, was los war und fing an zu schreien. Ich versuchte weiterzukommen und dann war es vorbei. Alles hörte auf und es wurde ruhig.
Stopp!
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