Tod
Tick tack. Die Zeit, mir rennt die Zeit davon. Also renne ich ihr nach. Renne ich ihr nach oder vor ihr weg? Das weiß ich doch selbst nicht. Vielleicht beides. Oder keines.
Tick tack. Ich spüre den Schweiß über meiner Schulter. Wie lange ich wohl noch rennen kann? Mein Atmen wird schwerer. Meine Lunge krampft sich vor Erschöpfung zusammen. Meine Knie werden schwächer. Ich höre das Geräusch wieder.
Tick tack. Nicht alles ist vergänglich. Nur wir Menschen sind es. Unser Dasein hat ein Ende. Unsere Geschichten, Musik, Ideen und Traditionen haben keines. Aber rennen wir vom Ende weg oder den Erinnerungen nach?
Tick Tack. Schneller, ich muss schneller sein. Vor meinen Augen tauchen weiße Flecken auf. Ich brauche Wasser, aber ich kann nicht stehen bleiben. Meine Lippen beginnen reißen auf, so ausgetrocknet bin ich. Trotzdem bleibe ich nicht stehen, sondern renne weiter. Meine Uhr sie macht weiter dieses Geräusch.
Tick tack. Der Stress er jagt mich. Ich will nicht enden. Kann man das Endende ins Endlose eingravieren? Kann ich so laut schreien, dass meine Stimme für mich weiter rennt. Dann könnte ich stehen bleiben. Aber was nützt es zu schreien, wenn niemand zuhört. Wir alle schreien, aber hören nicht zu. Die Ironie des Lebens.
Tick tack. Mein ganzer Körper tut weh. Mein Bein gibt nach, ich falle, auf meine Knie, aber ich kann nicht stehen bleiben. Auf meinen Knien krabble ich nun voran. Die flecken vor meine Augen werden größer. Aber ich muss noch ein bisschen weiter.
Tick tack. Wie sollen wir auch zuhören, wenn alles, was wir tun, ist vom Ende wegzurennen. Als könnten wir dem Tod entwischen. Vielleicht gibt es einen anderen Weg meine Stimme weiterleben zu lassen? Das Sterbende im Unsterblichen einzugravieren. Also nehme ich einen Stift in meine Hand und schreibe. Ich schreibe nieder, was ich sehe, höre, spüre und lebe. Kann ich aber mich selbst niederschreiben?
Tick tack. Krabbelnd bewege ich mich nun. Der steinige Boden reißt meine Hände auf. Ich blute. Meine Sicht verengt sich bis nur ein kleiner Tunnel zu sehen ist. Es fehlt mir schwer meinen Körper über dem Boden zu halten. Aber ich schaffe es gerade noch. Ich bin am Ende. Aber das Geräusch meiner Uhr erinnert mich, dass mir die Zeit ausgeht. Ich muss noch ein bisschen durchhalten.
Tick tack. Was wäre, wenn ich es schaffe mich zu verewigen, wenn ich meinen Tod überlebe? Ich weiß es nicht. Wir haben solche Angst vom Sterben. Wir jagen uns selbst in den Tod. Der Tod muss nicht das Ende sein aber wir machen ihn dazu.
Ich lasse meinen Körper auf den Boden prallen. Es ist vorbei. Ich schließe meine Augen und lass den Tod mich holen, aber er kommt nicht. Da liege ich nun mit der Wahrheit vor meinen Augen. Das Geräusch jagt mich nicht mehr. Tick tack. Der Stress ist weg, jetzt ist es nur ein Geräusch wie jeder anderer.
Ich floh vor dem Tod aber wusste nicht, wohin ich renne. Es nützt nichts zu überleben, wen man nicht lebt. Ich sterbe so und so, warum sollte ich den Tod mir mein Leben rauben lassen.
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