Trauer
Abschied ist schmerzhaft und Abschied ist schwer. Das weiß jeder, der schon ein Haustier verloren hat.
Abschied bringt Trauer mit sich. Der große Unterschied zwischen Abschied und Trauer ist folgender;
Abschied ist einmalig. Wie bei einem Pflaster, das man schnell und abrupt abzieht.
Trauer hingegen lässt einen nicht wieder los. Die Trauer dringt in dein Inneres vor, setzt sich dort fest und infiziert jeden deiner glücklichen Momente wie ein Virus.
Die Symptome der Trauer variieren. Manche weinen so heftig, dass sie fast nicht mehr zu Luft kommen, manche trinken, bis sie sich taub fühlen und zu vergessen beginnen, manche schreiben tiefgründige Texte in der Hoffnung zu lernen, mit der Trauer zu leben.
Sie schreiben, weil sie nicht trauern können.
Wer trauern möchte, muss zuerst wissen, was er fühlt. Ist es Hass oder vielleicht doch Zweifel? Vielleicht ist es Furcht. Möglicherweise ist es Eifersucht oder Abscheu.
Ich weiß nicht was ich fühle. Ich weiß nicht, auf wen ich sauer bin, auf dich oder mich. Ich weiß nicht, wen ich mehr vermisse, dich oder das „Ich“, zu welchem ich wurde, wenn ich um dich war. Ich weiß nicht, was von innen gegen meinen Brustkorb drängt und droht zu explodieren und zu fliehen.
Ich weiß nicht, was ich fühle.
Wir haben uns viele Dinge nie gesagt. Ich habe dir nie gesagt, wie viel ich von dir gelernt habe. Wusstest du das? Ich habe dir nie gesagt, wie dankbar ich dir bin. Wusstest du das? Ich habe dir nie gesagt, dass du mein Leben gerettet hast.
Aber ich glaube, das wusstest du.
Wir haben viele Dinge erlebt. Viele Geschichten, die jedes Mal besser werden, wenn sie wieder erzählt werden. Viele Erlebnisse, auf Grund welcher andere Menschen eventuell belustigt ihren Kopf schütteln würden. Viele kleine Momente, welche einem Außenstehenden nicht ins Auge gefallen wären, aber unendlich viel Bedeutung für mich haben.
Die Luft um uns war schwer, als wir uns gegenüberstanden. Unsere letzte Umarmung fühlte sich an wie zu Hause, aber gleichzeitig wie ein Messerstich in den Rücken. Wir beide wussten, es war die letzte Umarmung für eine lange Zeit.
Die Stille um uns war geladen mit allem Ungesagten, als du dich noch einmal umdrehtest, um mich anzusehen. Doch ein einzelnes Wort hätte wie ein Wassertropfen das Fass zum Überlaufen gebracht, also schwiegen wir und akzeptierten unser Schicksal.
„Geh. Bitte.“ – Wollte ich sagen. Ich wollte, dass du dein Leben lebst. Ich wollte, dass du gehst. Ich wollte, dass du ein neues „Du“ erlebst.
Aber ich hatte Angst. Angst, dass du mich vergisst, mich nicht vermisst, dass der Schmerz nur mich von innen auffrisst.
Als ich die Tür hinter dir schloss, dachte ich, ich müsste sterben. Ich konnte mir keinen schlimmeren Schmerz vorstellen. Vielleicht hätte ich mich besser auf die kommenden Wochen einstellen können, hätte ich gewusst, was ich heute weiß.
Abschied bringt Trauer mit sich. Und Trauer lässt einen nicht wieder los.
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