Trunkenheit
Lasst uns singen! Lasst uns singen, bis unsere Kehlen bersten, die Quellen unserer Stimmen versiegen und wir stumm sind vom Schreien!
Und dann lasst uns schreiben! Schreiben, bis wir keine Tinte mehr haben, keine Stifte, kein Papier, bis unsere Finger bluten, steif sind von Gicht, und wir die Worte nicht mehr lesen können!
Lasst uns springen, in die Höhe, in die Weite, in die Ferne, in die Tiefe, in die Geister der Menschen, bis unsere Knochen knacken! Lasst uns springen, bis wir uns die Beine brechen, bis man uns in Ketten legt, und dann lasst uns wieder singen!
Lasst uns bewegen, lasst uns bewegen die Welt, damit sie nicht aufhört, sich zu drehen, bis die Lähmung von uns Besitz ergreift, bis wir zu dick sind und zu träg, bis wir zusammenbrechen in Schweiß!
Lasst uns träumen! Lasst uns träumen, weil wir’s können! Lasst uns träumen und neue Welten schaffen! Lasst uns Visionäre sein, und das für immer, denn unsere Visionen kann uns keiner nehmen! Lasst uns groß denken, bis wir zu Kleingeistern werden, bis das Vergessen unsere Gehirne befällt! Lasst uns groß denken, solange die Welt uns lässt!
Lasst uns handeln! Handeln, bis wir keine Hände mehr haben! Handeln, bis unsere Hände in Handschellen liegen! Handeln, bis es uns in der Luft zerfetzt! Handeln, bis wir keine Träume mehr haben und nur noch Realität!
Lasst uns lachen! Lasst uns uns die Kehlen aus dem Leibe lachen, lasst uns die Nachbarn aufwecken, die ganze Welt aufwecken mit unserem Lachen, Gott auf seinem Himmelsthron wachrütteln, lasst uns lachen, bis die Tränen kommen und der Sauerstoff uns fehlt! Lachen, bis der Kopf uns platzt!
Lasst uns leben! Vivamus et amemus, lasst uns leben bis ins Grab, um dann auf unserm Grab zu tanzen! Lasst uns leben bis zum Verbluten, bis unsere Herzen nicht mehr schlagen, leben wie die Lebemänner, leben ohne Morgen, leben ohne Zeit! Lasst uns leben und es spüren, lasst uns leben, lasst uns lieben!
Lasst uns wählen, wählen zwischen Falsch und Richtig, wählen, wenn es keine Wahl gibt! Wählen, bis die Wahlurnen fort sind, wählen, bis nur noch Monotonie existiert!
Doch das Wichtigste: Lasst und tanzen, tanzen um das Lagerfeuer, jauchzen, jubeln, trunken sein, denn jetzt sind wir jung, jetzt sind wir ungezwungen, glauben an Unbesiegbarkeit, glauben an Gerechtigkeit! Glauben an all das, wovon wir wissen, dass es Phantome sind, denn wir können es, im Gegensatz zum Rest der Welt! Ganz egal, ob wir uns Illusionen machen, ganz egal, ob wir betrunken sind! Denn diese Trunkenheit, sie macht uns aus, bringt das Feuer zum Lodern, das Lachen zum Schallen, das Blut zum Rauschen, das Wort zum Klingen. Es ist die Trunkenheit, die uns frei macht, der Irrglaube an die Welt, die Wunderkerze in der Brust, der irre Glaube an die Welt! Wir brauchen diese Trunkenheit, denn sie treibt uns voran!
Lasst uns tanzen, solang wir jung sind! Lasst uns tanzen, bis wir erwachsen sind!
Lasst uns singen, schreiben, springen, bewegen, träumen, handeln, leben, lieben, wählen, tanzen.
Denn wir sind volltrunken.
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