Und er fuhr allein
Dunkelheit. Ein beißender Geruch. Grauenhafte Gestalten schlichen in den Schatten umher, beäugten den Fremdling, als er langsam durch die Kanalisation schlich und die hungrig leuchtenden Augen der Monster ignorierte. Denn er wusste, sie würden an ihm kein Abendmahl finden. Sie schlichen durch das Abwasser, das ihre Geheimnisse hin wegspülte. Und endlich blieb der Fremdling stehen. Und er zog sein Schwert, das sich blitzschnell durch das Fleisch der Monster Schnitt, ihre Hälse aufriss und ihr Blut an die Wände und das Wasser verteilte. Und dann war alles still. Keine Monster mehr, keine leuchtenden Augen. Nur das leise Wimmern des Kindes, das dort in der Ecke saß, die Augen auf den Fremden gerichtet, dem es so eben gelungen war, seine Beschützer zu vernichten. Das Kind starrte ihn an, mit seinen großen schwarzen Augen und dem verdreckten Haar, dessen ursprüngliche Farbe unter Schlamm und Moder nicht mehr zu erkennen war. Der Fremde beugte sich hinunter, sein Lächeln zeigte spitze Zähne. Und mit tiefer, doch sanfter Stimme sprach er laut, denn es war nun Zeit zu gehen. Und das Kind folgte ihm. Es folgte dem Wesen das der Mensch so sehr fürchtete. Es folgte dem Fährmann auf seine letzte Fahrt. Das Kind hielt die Hand des Fährmanns, lief mit ihm in der Dunkelheit. Doch der Fährmann wusste, die Stille würde nicht lange andauern. Und da war sie schon. Sie war die Herrscherin der Beschützer, die Mutter des Kindes. Die Spinne. Gefährlich blitzende Augen, lange Beine, Beißzangen. Alles, was den Fährmann aufhalten sollte, ihr Kind zu rauben. Ein Angriff folgte, als der Ruf des Fährmanns an den Wänden widerhallte, der dem Kind befahl zu laufen. Und es lief, während er kämpfte. Er kämpfte um das Leben des Kindes, welches er unter keinen Umständen aufgeben würde. Doch als die Spinne fiel und der Fährmann seinem Schützling folgte, färbte sich das Wasser rot. Dunkle Schatten zogen durch das Gemüt des Fährmanns. Es war geschehen. Das Kind war seiner Macht erlegen, wusste nun was es war. Der Fährmann war bereit es mit sich zu nehmen. Es gehörte ihm. Er blickte in schwarze Augen, als ein Kichern widerhallte, das die toten Monster erweckte und auf ihn hetzte. Und ein Kampf brach aus. Stunden um Stunden kämpfte der Fährmann um das Leben seines Kindes. Sein Schwert streckte ein Monster nach dem anderen nieder. Endlich kniete er im Dreck, vor den Füßen des Kindes, das ihn begrüßte und streichelte. Und es nannte ihn Vater, als es ihn an der Hand nahm. Doch der Fährmann ließ sie los, als er es mit einem Lächeln an sich drückte und es bat ihm zu verzeihen. Und als des Kindes Augen sich auf ihn richteten, als sich seine Lippen zu einem Lächeln formten und es nickte, so hob der Fährmann sein Schwert und streckte es nieder. Er bettete es in die Ecke aus der er es geraubt hatte und legte seine Familie daneben. Er hatte es aufgegeben, seine Aufgabe, sein Kind. Und als der Fährmann leise seiner Wege fuhr, färbten seine Tränen die Kanäle rein. Und er fuhr allein.
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