Und ich
„Du hast Post!“ und ich öffne den Brief,
Ich lese die Zeilen, verstehen will ich sie nicht.
Alte Erinnerungen führen mich ans Meer und
Ich kann nicht anders, ich denke an damals und
Die Sätze sind bedrückend und düster und leer.
Die Worte versickern in Vergangenheit,
Und endlich, meine Seele weint.
Das war der erste und letzte Sommer.
Es war heiß, aufregend und risikoreich,
Aber geblieben ist nur der Kummer.
Wir übertraten jede Linie, wurden disqualifiziert,
Doch wann hat uns das jemals interessiert?
Die Tage wurden kürzer und die Nächte immer länger,
Wir redeten viel über Wichtiges, manchmal auch Nichtiges und
Unsere Freundschaft wurde eng wie noch nie und dann immer enger.
Unser Sommer war vorbei, als dein Winter kam,
Als dich plötzlich ein anderer in den Arm nahm.
Ich fühlte den Schlussstrich wie einen Bienenstich,
Weil du du bist und ich bin ich und
Ich war nicht genug für dich.
Manchmal denk ich zurück, an die Tage, die waren,
Ich würde einfach gern zurückfahren,
Ans Meer, das nur uns gehörte,
Wo die Welt nur aus uns beiden bestand, Hand in Hand
Die Wellen reitend, die niemand zerstörte, außer uns beiden.
Jetzt ist Damals vorbei und du bist fort,
Weilst auch in meinem Herzen, aber nicht nur dort.
Ich hab's nie verstanden, denn du hattest doch mich,
Die dich immer unterstützt, dir aufhilft, wenn du stürzt, doch
Ich war nicht genug für dich.
Es ist ein anderer Sommer, und du bist wieder am Meer,
Ich hab dich gesehen, du winkst, aber ich komm nicht näher.
Die Narben sind noch zu frisch,
Ich halte mich auf den Beinen, lass mein Herz nicht um dich weinen,
Haare spielen im Wind und ich schmecke die Gischt.
Früher war es doch so, dass man, würde man uns nicht kennen,
Uns beide seltsam und befremdlich fände.
Unsere Ideen waren irrsinnig und wahnsinnig verrückt,
Was wir getan haben, glaubt uns doch niemand und
Wie oft haben wir uns viel zu weit oben an Hausmauern gedrückt?
Einen Zentimeter und dann noch einen weiter,
Unter uns Tiefe, der Tod ein stiller Begleiter.
Es ging niemals nur ums Springen.
Wir wollten die besten Grenzen austesten,
Wir wollten nur mal am Abgrund stehen und singen.
Das Briefpapier tränennass, die Tinte verschmiert,
Wer alles wagt, kann auch verlieren, hast du gesagt, aber es nicht mal probiert.
Ich wurde getäuscht, wenn ich dachte, wir kennen einander besser als uns selbst,
Und vielleicht ist das der Grund und der springende Punkt,
Warum ich noch hier stehe und du schließlich fällst.
Ich bin noch hier. Statt wie du genug zu wagen,
Der Sprung in die Tiefe, in mir die Fragen.
Ich bin fröhlich und glücklich und einsam,
In den Knochen nicht den Mut, die kochende Wut,
Aber entweder springst du alleine oder wir leben gemeinsam.
Ich lege den Brief zur Seite, in mir nur Leere, endlose Weite.
Du bist gesprungen, aber gefallen sind wir beide.
Du hattest also genug. Genug von der Welt,
Genug vom Leben, genug davon, alles zu geben,
Nicht genug Mut, meine Hand zu greifen, die dich hält.
Und ich?
Ich war einfach nicht genug für dich.
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