Undecided
„Darf ich bitten?“
Amelia drehte den Kopf in Richtung der samtigen Stimme und fand sich Angesicht zu …nun ja Hand mit einem hochgewachsenen Mann wieder. Sein Arm schwebte vor ihrem Gesicht, Handfläche nach oben gedreht und sie brauchte einen Moment, um zum Schluss zu kommen, dass er sie zum Tanzen auffordern wollte. Sie konnte nicht umhin, den schlichten und dennoch eleganten Ehering zu bemerken, der sich mit perfekter Passform um seinen Ringfinger schlang. Amelia räusperte sich, um die Zeitspanne zu überspielen, welche sie auf seine Hand gestarrt hatte.
„Kommt ganz darauf an.“, erwiderte sie schließlich, ohne eine Miene zu verziehen.
Ihr Gegenüber wirkte einen Moment überrascht, bevor er ihren eigenen Gesichtsausdruck spiegelte. Seine Augen jedoch verrieten sein Amusement. Sie glitzerten in Erwartung auf die Herausforderung, die die junge Dame offenbar darstellte. Eine außergewöhnliche Farbe, sinnierte sie, solch ein helles Blau, dass man fast darin versinken könnte. Wie das Meer…
„Worauf, wenn ich fragen darf?“ Er wirkte aufrichtig interessiert an ihrer Antwort.
Amelia schüttelte den Kopf. Was tat sie denn da? Bewunderte die Augen eines verheirateten Mannes. Sie setzte ein leicht gezwungenes Lächeln auf.
„Darauf, ob Sie besser tanzen können als mein Mann.“
„Sie sind verheiratet?“ War das Enttäuschung, was sie aus seiner Stimme heraushörte?
„Das bin ich.“, bestätigte Amelia, „Und zuweilen kann mein Gatte recht eifersüchtig werden.“ Falls er in der Lage war, die versteckte Drohung aus ihren Worten herauszulesen, so ließ es sich der Dunkelhaarige nicht anmerken.
„Hat er denn Grund dazu?“ So bezaubert war sie von der Weichheit seiner Stimme, dass sie es kaum mitbekam, wie der hochgewachsene Mann ihre zierliche Gestalt vom Sessel zog und ihren Körper mit seinem ausrichtete. Ein neues Lied setzte zur selben Zeit ein, wie Amelia den Mund öffnete. Ein herausforderndes Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Sagen Sie es mir.“, sprach sie über die Musik hinweg. Nicht eine Sekunde stockte ihr Tanzpartner in seinen Bewegungen, sondern führte sie weiterhin geschmeidig durch die Schritte des langsamen Walzers, mit einer Drehung hier und da. Wann hatten sie denn angefangen zu tanzen? In einer gewagten Figur bog er Amelias Rücken nach hinten, sodass ihre roten Locken beinahe den Boden streiften. Als er sie wieder aufrichtete, zog er sie mit der Hand, welche auf ihrem Rücken ruhte, näher an seine Brust. Ihre Gesichter waren nun so dicht beieinander, dass sie dieselbe Luft atmeten. So nah, dass die Tänzerin jedes einzelne Fältchen um die Augen ihres Gegenübers erkennen konnte.
Er beugte sich noch weiter in Amelias Komfortzone und flüsterte ihr ins Ohr: „ Ich denke, ich bin drauf und dran mich in Sie zu verlieben. Was sagen Sie dazu?“ Er lehnte sich wieder zurück.
„Ich würde sagen, dass das höchst unangemessen ist.“, tadelte seine Tanzpartnerin ihn spielerisch, „ Was würde Ihre Frau denken?“
„Ich liebe dich.“
Amelia lächelte ihren Ehemann liebevoll an. „Ich liebe dich auch.“
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