Unglückstage
Ich glaube jeder hat einmal Tage, wo man denkt, dass sich die ganze Welt gegen einen verschwört hätte. Bei mir war es jedoch viel schlimmer, da alles, wirklich alles, was schiefgehen kann, schiefgegangen war.
Das Grauen begann in der Früh beim Aufstehen. Top motiviert wachte ich um 6: 30 Uhr auf und schwang die Beine aus dem Bett. Plötzlich machte mein linker Knöchel ein seltsames Geräusch, welches wie ein Knacken klang, und tat gleich danach schrecklich weh. Unglücklicherweise konnte ich den ganzen restlichen Tag nicht gescheit gehen, weshalb meine gute Laune wie weggeblasen war.
Geh bitte.
Trotz des Unfalls humpelte ich um halb acht aus dem Haus, um meinen Schulweg anzutreten. Ich muss jeden Morgen auf einen bestimmten Bus warten, der zu meinem Leidwesen nur alle 20 Minuten fährt, trotzdem habe ich ihn in all den Jahren noch nie verpasst. Doch an diesem einen Montag war es anders. Da ich es gewohnt war, das Haus um 7: 30 zu verlassen, machte ich es so wie immer. Natürlich, wie konnte es anders sein, vergaß ich, dass ich mit meinem Knöchel nicht so schnell gehen konnte, und kaum bog ich um die Ecke, sah ich das Fahrzeug davonrauschen.
Geh bitte.
Um 9: 30 betrat ich das Klassenzimmer und wurde daraufhin von 26 Augenpaaren angestarrt, oh nein sorry es waren 27, eines davon nicht sehr begeistert, und dieses eine gehörte meinem Matheprofessor. Kaum hatte ich „Entschuldigung“ gemurmelt und mich beeilt, so schnell es eben mit einem kaputten Knöchel ging, zu meinem Platz zu kommen, rief mich der Lehrer schon zur Tafel. Hätte ich mir ja denken können, dass ich nicht ungestraft davonkommen würde. Und tadaaa, wenig später durfte ich zu meinem Platz zurückkehren, aber nicht ohne vorher ein fettes Minus einzukassieren, da ich keine von den gefragten Aufgaben verstanden hatte.
Geh bitte.
In den folgenden Stunden passierten mir glücklicherweise nur so typische Sachen, wie in der Pause den Kakao über den Pulli geleert zu bekommen und sich vor der ganzen Klasse wegen falsch beantworteter Fragen zu blamieren. Naja, es gibt Schlimmeres.
Geh bitte.
Als ich am späteren Nachmittag zu Hause ankam, nun war es schon 17: 45, pfefferte ich meinen Schulrucksack auf die Kommode im Vorzimmer, da ich wegen allem, was heute passiert war, stinksauer war - eigentlich hätte ich mir ja denken können, dass selbst diese Aktion irgendetwas Schlechtes auslösen müsste. Gesagt getan. Er striff mit den Gurten eine sündhaft teure Vase aus China und beförderte sie innerhalb weniger Millisekunden auf den Boden. Ich starrte auf einen Scherbenhaufen und kurz darauf hörte ich schon grantige Stimmen, die mich anschrien, dass dieses Gefäß ein teures Erbstück und deshalb unersetzbar gewesen sei und so ein Zeug eben.
Geh bitte.
Aber zum Glück bewährte sich das alte Sprichwort, dass Scherben Glück bringen, denn den ganzen restlichen Tag verbrachte ich eingesperrt in meinem Zimmer und genoss den Zustand, dass nichts Weiteres passiert war.
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