Unmenschlich
Ich weiß weder noch wo oder wie ich hier gelandet bin, ob ich überhaupt irgendwo fremd gelandet bin oder ob ich jemals die Erde verlassen habe. Was ich aber ohne zu zögern von mir geben kann, ist, dass mir dieser ganze Ort hier fremd erscheint. Und ich meine nicht, dass mir die Gegend unbekannt vorkommt, weil ich vielleicht im Zug eingeschlafen bin und jetzt an einer komplett anderen Station in einem abseitsgelegenen Ort gelandet bin. Nein – ich meine alles um mich herum sieht wie eine komplett andere Welt aus. Keine Häuser, wie man sie im Alltag sieht, keine lebhaften Farben, keine Pflanzen, keine Menschen unterwegs – kein Leben weit und breit zu erkennen.
Schaut man auch nur links oder rechts, sieht man nur, wie Elektrizität durch die weißen, hunderten Meter hohen Gebäuden hindurchfließt. Man kann glatt schon denken, diese Welt sei bis zum letzten Menschen ausgestorben.
Was sie auch womöglich sein mag.
Je weiter ich gehe, je weiter entfernt erscheint mir mein Zielort – und doch weiß ich nicht, wo ich hinmöchte oder ob es überhaupt eine passende Endstation für mich gibt. Es ist fast, als wäre ich in einem nie endenden Labyrinth ohne Hoffnung auf einen Ausweg.
Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht wie viel Uhr es ist. Wie viele Minuten sind nun vergangen, seitdem ich durch die Straßen hier geirrt bin. Minuten? Vielleicht sind es auch schon Stunden gewesen. Vielleicht verliere ich meinen Verstand schon und ich irre seit Tagen nur im selben Kreis herum. Ich weiß es nicht. Ich befürchte Tag und Nacht existiert hier nicht einmal, was die Zeiteinschätzung noch schwieriger macht, als sie eigentlich schon ist.
Langsam werde ich panisch und unruhig. Mein Körper fühlt sich nicht wie der gleiche an. Mir ist sehr wohl bewusst, dass, je länger ich unter diesen Konditionen meine Zeit hier verbringe, dass ich es nicht mehr lange durchstehen werde. Diese Stille ist unerträglich, ich kann schon förmlich hören, wie das Blut durch meine Adern fließt und in welchem Rhythmus mein Herz schlägt. Am allerschlimmsten sind aber die Stimmen in meinem Kopf, die mich von innen auffressen. Das Leiden wird mit jeder Sekunde unerträglicher.
Während ich aber langsam meinen Verstand verliere und versuche den Irrtum in meinem Kopf zu bekämpfen, ist mir nicht bewusst, dass sich hinter dem ganzen Wahnsinn eine Bildschirmseite befindet, wo mehrere Leute auf einem großen Bildschirm jede meiner Bewegungen beobachtet. So wie es scheint, haben die wahrscheinlich ihre Menschlichkeit schon vor mir verloren.
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