Unmut - Mut - Übermut
Es ist äußerst interessant zu beobachten, wie unterschiedlich Kinder sich am Spielplatz verhalten. Manche benehmen sich gar nicht freundschaftlich, verteidigen ihre mitgebrachten Spielsachen. Andere sind phlegmatisch und lassen sich einfach alles gefallen. Die Älteren versuchen die Macht an sich zu reißen, indem sie das lautstark kundtun. Und dann gibt es die Weinerlichen, die sich wegen jeder Kleinigkeit zu Mama flüchten.
Ein kleiner Junge hat es sich in der Sandkiste bequem gemacht. Ich kann erkennen, dass er in der rechten Hand seine eigene rote Schaufel, in der linken jedoch eine fremde Gelbe hochhält. Ein kleines Mädchen beginnt zu brüllen. Da sehe ich eine Mutter beherzt in die Sandkiste steigen. Sie nimmt dem verblüfften Kleinen die gelbe Schaufel weg, schimpft ein wenig, dass ‚man das nicht darf‘, und entreißt ihm schlussendlich noch seine eigene rote Schaufel, scheinbar um ihm zu demonstrieren wie schlimm so ein Diebstahl ist. Der Kleine tut seinen Unmut kund! Jetzt brüllt auch er! Also ist die Rutsche an der Reihe. Davon gibt es zwei. Da der Rutschspaß der kleineren von recht kurzer Dauer ist, steuert er die Große an. Diese muss über ein Klettergerüst bestiegen werden. Das ist für den Zweijährigen schon eine Herausforderung, denn seine Beine sind für manche Sprossenabstände noch zu kurz. Er dreht drei Mal nach der Hälfte der Sprossen um und zittert regelrecht vor Angst vor der hohen Rutsche. Noch dazu steht ein großer Junge breitbeinig und mit verschränkten Armen am oberen Einstieg. So, als wäre er der Besitzer des Spielgerätes. Also ein weiterer Versuch. Er hat kaum mehr Kraft, doch dann gelingt der Aufstieg und er schafft es mit letzter Energie durch den Einstieg. Davon scheint sogar der weit ältere Junge beeindruckt, denn er begrüßt ihn freudig. Glücklich darüber, es geschafft zu haben, springt der Kleine im Kreis und jauchzt. Weil er den Mut hatte, seine Angst zu überwinden um es rauf zu schaffen. Dann schwingt er sich auf die Rutsche und genießt den Ritt. Der Große folgt ihm und hilft dem Jüngeren einige Male wieder hinauf, um mit ihm gemeinsam zu rutschen. Das gefällt dem kleinen Buben natürlich, sodass er gar nicht mehr richtig die Sprossen hinaufsteigt, sondern zu blödeln beginnt. Es folgt, was kommen musste. Er „stürzt“ ab. Gott sei Dank ist der gesamte Spielplatz dick mit Rindenmulch ausgestreut, sodass die Kinder weich fallen können. Das ist trotzdem zu viel. Der Zweijährige ist durch diesen Übermut mit anschließendem Absturz völlig fertig. Seine Mutter holt ihn ab um mit ihm nach Hause zu fahren. Dem großen Jungen tut es leid, dass er seinen Spielkameraden verliert, doch ihm wird versprochen, in den nächsten Tagen wiederzukommen. Am Abend gehe ich die Stunden nochmal in Gedanken durch. Eigentlich war es großartig zu sehen, wie der Kleine sich durchgesetzt hat, erst war er verärgert und musste seinen Unmut über die Sandkastengeschichte verarbeiten, dann bewies er Mut, und schlussendlich war er übermütig geworden. Ich bin davon überzeugt, dass Kinder, die liebevoll und behütet aufwachsen und dadurch sozial gestärkt sind, genug Selbstbewusstsein entwickeln können.
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