Verknotete Schnürsenkel.
Es war der Tag vor meinem 8. Geburtstag. Ich erinnere mich sehr gut an ihn. Er hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt und stimmt mich immer noch gelegentlich nachdenklich.
Ich saß in unserem Esszimmer und war, wie immer, in ein Buch versunken. Plötzlich wurde alles um mich herum unruhig, laut und hektisch. Verwirrt fragte ich meinen Vater, was los wäre. Er hat mich lange und traurig angeschaut. In seinem Blick lag eine seltsame Schwere, die ich nicht kannte. Schließlich sagte er: „Hast du es nicht mitbekommen? Opa ist gestorben.“ Plötzlich war es einer dieser Momente, in denen man von zu vielen Gefühlen auf einmal überrollt wird. Trauer, Unverständnis, Reue, Liebe? Ich war irgendwie machtlos, als würde ich von all diesen Gefühlen taub werden.
Es war nicht gerecht. Er musste einfach noch leben. Mir zeigen, wie er seine Ölgemälde malte oder mir von seinen Büchern erzählen. Er lebte zwar in Berlin und ich sah ihn eher selten, aber er war mein Opa, ich hatte ihn lieb und es war immer schön, wenn er da war.
In diesen Sekunden, wurden, so schnell wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, diese Augenblicke für mich so kostbar, als wären sie aus purem Gold.
Wie mein Bruder und ich ihm immer die Schnürsenkel verknoteten, damit er abends nicht ins Hotel zurückgehen konnte. Oder als ich ihm meine Schleifen ins Haar steckte, was er geduldig ertrug. Später musste ich sie wieder herunternehmen, „vergaß“ aber eine. Er rief uns lachend an und erzählte uns, dass ihn eine Frau in der Straßenbahn auf seinen Haarschmuck angesprochen hatte.
Ich erinnere mich gerne an ihn. Deshalb ist es so wichtig, Momente mit den Liebsten zu sammeln, solange es noch geht. Denn wenn Erinnerungen erst einmal entstanden sind, kann sie kein Mensch auf der Welt je wieder wegnehmen.
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